1. Bd. 5
- S. 302
1845 -
Leipzig
: Kollmann
- Autor: Fortmann, Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
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im Leibe hat." — „Ich habe so viel, wie Sie — crwicderte
der Prinz — und habe nichts weiter thun wollen, als was Sie _
nach Ihren eigenen öfteren Aeußerungen an meiner Stelle gethan
haben würden."") Ueber diese Antwort gerieth der König so in
Wuth, das er den Degen zog und seinen Sohn durchbohren
wollte. Der General Mosel warf sich dazwischen, deckle den
Prinzen mit seinem Körper und rief: „Sire, tobten Sic mich,
aber schonen Sie Ihres Sohnes!" Als die übrigen Generale
den Vorgang erfuhren, baten Sie den König, den Prinzen nicht
wieder zu sehen; was er denn auch, bei kaltem Blute, selbst
für rathsam fand. Er blieb nur einige Tage in Wesel und
fetzte dann seinen Weg nach Berlin fort. Der Prinz sollte ihm
nach vier Tagen folgen. Noch in Wesel machte dieser einen
Versuch, zu entkommen. Man hatte ihm schon Stricke, um
aus dem Fenster zu steigen, und Bauernkleider verschafft, aber
der Plan ward wieder vereitelt. Friedrich wurde nun durch ein
Commando unter dem Oberstlieutenant von Borck nach Mitten-
walde, drei Meilen von Berlin, abgeführt.
Katte hatte unterdessen seine Abreise bis zu der Zeit ver-
schoben, wo er vermutbete, daß der König zu Wesel wäre, und
ward zu seinem Unglücke noch einen Tag langer aufgchaltcn,
weil er sich einen ganz besonderen Sattel machen ließ, in welchen
man Geld und Kleidung verwabren konnte. Denselben Tag
brachte ein Courricr die Nachricht, daß Friedrich arretirt scy,
was man sich aber nur im engsten Vertrauen sagte. Gegen Abend
begegnete Katte dem Major Asseburg, der um dies Staatsgeheimniß
wußte; weil er sich aber nicht getraute, cs zu sagen, so fragte er
Katte mit erschrockener Miene: „Sind Sie noch hier? Das wun-
dert mich." Katte antwortete, ohne die Ursache jener Frage zu
vermuthen: „Ich reise noch diese Nacht." In derselben Nacht
kam der Veft)afrsbefehl. Sein Oberst, um ihm Zeit zu lassen,
zu entftiehen, zögerte drei Stunden mit dem schmerzlichen Auf-
träge und sendete dann noch erst einen Adjutanten an ihn, mit
dem Befehle, zu ihm zu kommen. Noch jetzt wäre es ihm mög- *)
*) Der König hatte, wie die Prinzessin Wilhclmine erzählt, wiederholt
zu ihm gesagt: „Hatte mein Vater mir begegnet, wie ich dir, so
wär' ich hundertmal davon- gelaufen, aber du hast keinen Math, du
bist ein bloßer Schurke. "