1. Bd. 6
- S. 18
1845 -
Leipzig
: Kollmann
- Autor: Fortmann, Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
18
So war also das erste Blut vergossen, und cs dahin gekom-
men, daß der Streit, der vor diesem denkwürdigen Tage nur
mit Worten war geführt worden, jetzt durch das Glück der
Schlachten mußte entschieden werden. Das kurz zuvor von
Neuem zusammen getretene englische Parlament kam dem Ent-
schlüsse des Ministeriums, die Amerikaner durch Gewalt der
Waffen zur Unterwerfung zu zwingen, mit der entschiedensten
Bereitwilligkeit entgegen. Vergebens waren alle Einreden der
Opposition, welche Zwangömaßrcgeln verwarf. - Der durch Alter
und Krankheit geschwächte Lord Chatham erschien nach langer
Abwesenheit wieder im Parlamente; aber umsonst schüttete dieser
um Englands Wohl hoch verdiente Greis, auf eine Krücke gelehnt,
das ganze Feuer seiner Beredsamkeit aus, um die Verkehrtheit
des bisher befolgten Systems, die Verwerflichkeit der ministeriellen
Maßregeln und die Nothwendigkeit großmüthigen Nachgcbens zu
schildern. Sein prophetischer Ausruf: „Mylords, so wenig als,
ich Sie mit meiner Krücke vor mir her zu treiben vermöchte, so
unmöglich ist cs Ihnen, Amerika zu erobern," blieb unbeachtet.
Die Minister wollten Amerika zu ihren Füßen sehen, und das
Parlament, wie schon gesagt, kam ihren Wünschen entgegen. —
Durch eine Bill ward den vereinten Provinzen,, denen schon vor-
her aller Fischfang bei Neufundland verboten war, aller Han-
del und Verkehr mit England untersagt, ihr Eigcnthum als ver-
fallen an die brittischcn Kaper erklärt, und endlich (October 1775)
die gehässige Maßregel ergriffen, fremde Truppen in Sold zu
nehmen, unter dem Vorwände, dem Gewerbfleiße nicht zu viele
Hände zu entziehen. Mehrere größere und kleine Staaten Deutsch-
lands, als Hessen-Cassel, Brau »schweig, Walde ck,
Anhalt und Ansbach wurden veranlaßt, 16,000 ihrer Unter-
thanen um englisches Geld in den Krieg gegen Amerika zu senden,
wovon Churhcffen allein, während der Dauer desselben, mehr als
einundzwanzig Millionen Thaler empfing'ch.
Mit der zuversichtlichen Hoffnung, den Gehorsam der Colv-
niften mit Waffengewalt zu erzwingen, singe.': die Minister un-
verzüglich an, ihre militärischen Talcmte gegen die Aufrührer zu *)
*) Diese Fürsten wurden daher von einem Oppositkonsiiir'tgliede im Unter-
hause die „fürstlichen Schlachter Deutschlands" geheißen, und auch
in Deutschland selbst machte man Spottgedichte auf sie.