1. Bd. 3
- S. 118
1844 -
Leipzig
: Kollmann
- Autor: Fortmann, Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
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Staub und Thränen entstellten Gesichte zog sie daselbst unter all-
gemeiner Stille ein. Den andern Tag wurde sie nach dem festen
Schlosse Loch levin gebracht, dessen Besitzerin, die Mutter des
Grafen Murray, Maria haßte, und von welcher sie mit rück-
sichtsloser Strenge behandelt ward.
Elisabeth glaubte, daß cs jetzt an der Zeit sey, zwischen
der Königin von Schottland und den gegen sie Verbündeten die
Nolle der Vermittlerin zu übernehmen. Sie sendete einen Abge-
ordneten nach Schottland, der beiden Theilen in ihrem Namen
Vorschläge thun sollte; die verbündeten Schotten aber befürchte-
ten ihre Parteilichkeit zu Gunsten Maria's, und indem sie den
Abschluß der Angelegenheiten aufhieltcn, suchten sie den englischen
Abgesandten selbst, soviel wie möglich, von Mariens Person zu
entfernen. Die Meinungen in Schottland waren überhaupt dar-
über gcthcilt, wie man die Königin jetzt behandeln müsse.
Einige wollten ihr die Negierung unter gewissen Einschränkun-
gen zurückgeben; Andere trugen auf die Abtretung derselben an
den Kronprinzen unter Vormundschaft und auf die Verweisung
Mariens aus dem Lande an; eine dritte Partei verlangte ein
öffentliches Verhör der Königin und eine strenge Untersuchung
über den Königsmord, mit dem Urtheilöspruche einer ewigen Ge-
fangenschaft; und eine vierte verlangte sogar ihre Hinrichtung,
als das Resultat der gerichtlichen lleberführung der ihr angeschul-
digtcn Verbrechen.
Der englische Gesandte trat der gelindesten Meinung bei und
versprach in dicsenr Falle Elisabeths Unterstützung rücksichtlich einer
zweckmäßigen Einrichtung der Negierung und der Sicherheit des
Lebens und der Freiheit des jungen Prinzen, drohcte aber auch
im Weigerungsfälle mit seiner Königin Rache. Dessenungeach-
tet gelang cs ihm nicht, die empörten Schotten für seine Absich-
ten zu gewinnen; besonders sprachen die protestantischen Predi-
ger, mit Beziehung auf die Beispiele des alten Testaments, so
nachdrücklich zu dem Volke, daß dasselbe in seiner Erbitterung
gegen Maria noch bestärkt wurde. Die Verbündeten einigten
sich endlich dahin, Maria ohne weiteres der Krone verlustig zu
erklären; in Folge dessen man ihr drei Urkunden zur Unterzeich-
nung vorlegte, nach welchen sie der Negierung entsagte, den Gra-
fen Murray, ihren natürlichen Bruder, zum Regenten ernannte
und bis zu dessen Ankunft einen Regicrungsausschuß festsetzte.