1826 -
Emden
: Woortman
- Autor: Gittermann, Rudolph Christoph
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Regionen (OPAC): Ostfriesland
Charakter-Gemälde der Friesen. 3/
nen zu lernen, wurden in der friesischen Sprache ei-
nige Schrbolcths erfunden, und man mißhandelte den,
der diese Wörter nicht aussprechen konnte. Selten
überschritt ein Friese die Granzen seines Vaterlandes
und noch, seltener übernachtete er auf fremdem Grund
und Boden; daher es sein größter Kummer war, dem
deutschen Kaiser auffer seinem Lande Heerfahrt leisten
zu müssen. Ehen zwischen Friesen und Fremden wa-
ren ihm durchaus zuwider und ein wahrer Gräuel;
selbst unverheirathcte Priester nahm man nur mit Wi-
derwillen an. — Stolz auf ihre alte, durch Tapferkeit
und Großthaten behauptete Freiheit, suchten sie sich jedem
Versuche Einzelner, sich über das Volk zu erheben und
demselben zu befehlen, mit Nachdruck zu widersetzen.
Feste Schlösser, Bürge und steinerne Hauser wurden
daher nicht geduldet, weil sie der Freiheit des Volks
gefährlich werden konnten. Kein Haus durfte über
zwölf Fuß hoch unter dem Dache errichtet werden;
bloß Kirchen und Klöster machten davon eine Ausnah-
me. So verwahrte sich der Friese seine Freiheit, und
eben daraus, so wie aus den verschiedenen Vorrechten,
welche er vor andern Völkerschaften genoß, entwickelte
sich immer mehr eine hohe, unbesiegbare Liebe zu sei-
ner heimathlichcn Erde. — Mit andern germanischen
Volksstammen hatten auch die Friesen die Neigung
zum Wohlleben und besonders zum Genuß starker Ge-
tränke gemein. Fleißig ging der Bierhumpen in ihren
Zusammenkünften herum. Het gliildt eie frye Frijse
(es gilt dich, freier Friese) war der Toast, womit
einer dem andern, das Trinkhorn in der Hand, zu-
trank. — Geradheit, Aufrichtigkeit und Biederkeit wa-
ren übrigens die Grundzüge in dem Volks-Charakter
der Friesen, und bei ihrer Hauptbeschäftigung, dem
Ackerbau und der Viehzucht, worin für sie eine ergie-