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1. Geschichte des deutschen Volkes und des deutschen Landes - S. 4

1839 - Stuttgart : Literatur-Comptoir
Doch nicht blos darum, um zu erkennen, wie das, was heute ist, sei es nun gut oder übel, nach und nach geworden, hat die Geschichte unseres Landes und Volkes ihren Werth. Sie hat ihn auch in sich selbst, und jede deutsche Zeit hat ihr eigcnthümlichcs Interesse. Von fremden gebildeten Völkern, die dieß wohl wissen und unsere Geschichte darum kennen lernen, sollte sich des Landes gebildeter Sohn nicht übertreffcn lassen. Deutschland — dieß Land voll Länder — in der Mitte Europa's gelegen, zwischen Ost und West, Nord und Süd, ist der Markt der europäischen Geschäfte, das Kaufhaus des europäischen Völkcrverkehrs, das Marsfeld der meisten Kriege des Erdthcils gewesen; Schlachtfeld reihet sich an Schlachtfeld, es hat den gebräunten Krieger von der pyrenäischcn Halbinsel, wie den Kosaken und Baschkiren, den Finnen wie den Römer auf seinen Fluren kämpfen sehen. Es ist jetzt der Hauptstein des großen europäischen Staatengewölbes. Deutschland ist aus einem Lande des Waldes und des Sumpfes in seinen meisten Theilcn wie ein Garten Gottes geworden. Es bringt Alles hervor, was genügsame Menschen, welche einen höheren Zweck des Daseins kennen, bedürfen, und im Ueber- ftusse, auf daß auch von der Natur Versagtes damit eingctauscht werden könne. Es ladet durch Lage und Oertlichkeit wie zu Jagd und Viehzucht, so auch zu Acker- und Garten-Bau, Fabrik, Schifffahrt und Welthandel, fast zu jeder Art menschlicher Thä'tigkeit ein. Sein Klima begünstiget die meisten Products und jegliche Entwickelung des Geistes, während aus den kältesten und heißesten Zonen niemals große Denker hervorgegangen sind. — Stiege der alte Decumate oder der frühere Helvetier jetzt von der Weinsteige herunter in das freundliche, allbclebte Stuttgarter Neckarthal, sähe die Stadt, die Schlösser, die Gärten, die Weinberge, die Menge der Landhäuser, Dörfer und Kirchen; oder der Hermundur ans der Leipziger Kunststraße bei Zehren hinab in das herrliche Elbthal, wie es dort, ein kleines Paradies, bis nach Böhmen sich öffnet; oder schauctc der Noriker von seinem äußersten Vorsprunge des mons Cetius, dem Kahlenberge, herunter auf das March- feld und die glänzende Kaiserstadt — gewiß er würde seine alte Heimath kaum wieder erkennen, und gewiß noch weniger seinen Landsmann von heute, der ihm im lustigen Frack mit dem Mützlein auf dem Kopfe und der Brille auf der Nase, mit dem Regenschirm in der einen und dem Almanach in der anderen Hand ent- gegenträte und in seinem Deutsch begrüßte. Aber dieser Contrast tritt uns minder lächerlich, tritt uns sogar höchst ehren- voll entgegen, wenn wir die Mittelglieder aufsuchen. Laßt uns sehen, wie jener Urvorfahr, ehe noch der Tag der Geschichte ihm anbricht, aus der Höhle hcrvor- tritt, groß, sieben seiner Füße, blondhaarig, trotzig, blauäugig, bedeckt mit dem Felle des Thieres, dem er die Höhle abgestritten, bewaffnet mit der im Feuer ge- härteten Keule, der ältesten Verstärkung der Faust, oder mit einer zugespitztcn Stange, wie sonst der Hurone, um am benachbarten Quell sich seinen Morgcntrunk mit der Hand zu schöpfen und dann auszuziehcn gegen Heldcnthiere, die auch Men- schen zu Helden machen konnten, gegen Bär, Wolf, Eber, Hirsch, Elcnn- oder Renn-Thiere oder gegen den furchtbaren Auerochsen, dessen Hörner sein Becher, sein Signalhorn oder mit dein Kopffell seine schreckende Hauptbcdeckung werden sollen; wie sein Leben ein Kampf ist um das Leben. Laßt uns weiter sehen, wie inneres Bedürfniß ihm eine Religion, Gesclligkeitstricb einen Familien-, Stamm-, Volksvcrband schaffen, wie die rohe Willkür zur Gesetzlichkeit, das zufällige Zu- sammenleben sich in den Staat, die Vernunftform der menschlichen Gesellschaft, umwandclt; wie er die alte Welt zertrümmert und ihr Erbe wird von den Steppen Südrußlands bis zu den Säulen des Hercules, vom caledonischen Gränzwalle bis zum Sande der Sahara; wie er eine neue europäische Welt gründet und seine besten Söhne, nur zu verschiedener Zeit, auf alle, alle europäische Throne setzt;
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