1839 -
Stuttgart
: Literatur-Comptoir
- Autor: Böttiger, Carl Wilhelm
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
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S' i eb e n t e s Haupt ^ n ck.
Innere Staats- und Eultnrverhältnisse Deutschlands und seiner Bewohner
während der fränkischen Periode von 1034 — Sb25.
Die Reichsgränzcn waren in diesen 100 Jahren im Norden von der Schlei
zur Eider zurückgezogen, den holsteinischen Sachsen aber war in Adolf von Schau-
enburg vom Herzog Lothar ein besonderer Gränzgraf gegeben worden. Die nord-
östlichen Slavcn von der Ostsee und Elbe bis zur Oder und Havel bildeten
einen eigenen slavischen Staat unter Herzog oder König Heinrich, Gottschalks Sohn,
der christlicher Lehensmann der Herzoge von Sachsen war, wenn gleich das Lehens-
wesen bei den Slaven selbst nicht eristirte, daher alle Unterthancn gleiche Rechte
hatten und geschloffene Staaten bildeten. Das Land südlich von der Havel bis
zur Mittelelbe stand, zweifelhafter Treue und Religion, unter den nordsächsischen
(später brandenburgischen) Markgrafen und wurde erst 1156 durch Markgraf Al-
brecht den Bären, den Gründer von Berlin, dauerhaft deutscher Herrschaft unter-
worfen. Freilich ging man auch mit den armen Slaven despotisch genug um!
und selbst Bischof Ditmar von Merseburg meinte, wenn die slavischen Bauern
gehorchen sollten, so müsse man sie Heu fressen lassen, wie Ochsen, und in Zucht
halten, wie Esel. Bei dem lateinischen unverständlichen Gottesdienste bedeutete man
sie: wenn sie die Sprache auch nicht verständen, so mache das wenig aus, weil
sie doch von Gott verstanden werde. — Zwischen der untern Saale, Elbe und El-
ster, selbst bis zur Oder war die Ostmark oder Mark Lausitz zuletzt mit Mark-
grafen aus dem Geschlcchte des höchstfreicn Herrn Theodorich von Buzizi, dem
Stammvater des noch jetzt in den sächsischen Staaten regierenden Hauses Wettin,
dessen Nachkommen auch als Meißner Markgrafen das Land von der obern Saale
bis nach Böhmen im Süden und bis zur Spree im Osten regierten. Böhmen und
Mähren hatten rein slavische Fürsten unter deutscher Hoheit, während diese über
Polen und Ungarn nur vorübergehend war. Dagegen gingen die nordgauischc
Markgrafschaft gegen Böhmen und ältere Sorbenmarken ein, während die ostbaie-
rische gegen Ungarn unter den kräftigen Babenbergern ihre Gränze vom Kablen-
bcrge bei Wien bis an die Leitha vorschob; südlich daran gränzten das Hcrzogthum
Kärnthcn mit Krain mit seinen zwei Marken gegen die Ungarn, zu Pettau und
Pütten, darauf die italienischen Marken von Istrien au. Ueber den Brenner bis
Trident ging Baicrn, bis zum Gotthard und Graubünden Schwaben. Bon da
bis zum Mittelmeere, Rhone und Saone aufwärts bis an Marne und Mosel,
dann an den Rhein herüber bis Basel und Zürich das Königreich Burgund, für
Deutschland 1032 erworben. Nördlich davon, durch die Mosel und Maas unter
einander geschieden, beide Lothringen.
Trotz der Kämpfe mit den Slaven erhielten sich eigene slavische Staaten unter
eigenen Fürsten, wie Böhmen bis 1307, Pommern bis 1637, Schlesien bis 1675
und beide Meklenburg noch heute. Strengere Abhängigkeit von den Fürsten, lange
dauernde, zum Thcil noch heute nicht ganz verwischte Leibeigenschaft, spätere Ent-
wickelung des Bürgcrstandcs ließen die höhere Cultur später, alsbei den Deutschen, sich
entwickeln. Bekam doch Polen erst um 1350 die erste schriftliche Gesetzsammlung,
fast ein Jahrtausend nach der lex Salica! Dagegen wurde Kärnthcn, Meißen,