1839 -
Stuttgart
: Literatur-Comptoir
- Autor: Böttiger, Carl Wilhelm
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
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nannte, mußte wohl oder übel, um nicht allein zu stehen, selbst beitreten. Aber
der Kaiser halte eine ungewöhnlich starke Türkenhülse (24,000 Manu), und Johann
von Sachsen wenigstens ein ruhig Sterbestündlein damit gewonnen (16. 2íug. 1532).
— Der neue Kurfürst war der durch sein Unglück wie seine wahre Frömmigkeit
ausgezeichnete Johann Friedrich der Großmüthige. War's doch, als wenn das Mutter-
u,al eines rotheu Kreuzes Beides schon vorausverkündigt hätte!
Leider hatten auch die Protestanten sich schon mit Franz I. von Frankreich ein-
gelassen uno, wenn sie ihm nach dem Frieden auch die empfangenen 100,000 Rthlr.
zurückzahlten, damit doch das schlimmste Beispiel von der Welt gegeben. Hatte
doch der allerchristlichste König den allernnchriftlichften, den Sultan, vielleicht selbst
zu einem Luge gegen Oesterreich gestimmt, der aber 1532 durch den Widerstand
von Gü»z und Karls Annäherung zwei Tagereisen vor Wien endigte, als Schärttin
12,000 Türken über den Sömmeriug zurückschlug. — Die festere Haltung der Pro-
testanten zeigte sich von nun an in der wiederholten Ablehnung eines Coneiliums
in Italien, wo der Papst als Richter Vorsitzen werde; auch war es Clemens Vii.
damit so wenig Ernst wie seinem Nachfolger (seit 13. Oet. 1534) Paul 111. Farnese
mit der von ihm versprochenen Reformation. Wenn auf solche die Rede kam, sanken
in Rom die verkäuflichen Kirchenwürden zu Spottpreisen herab.
Um diese Zeit löste sich der schwäbische Bund (seit 1527 erneuert) mit seinem
Heer von 1842 Mann zu Roß und 11,284 Manu zu Fuß auf. Dagegen fob erte
jetzt der junge Christoph von Würtemberg, des vertriebenen Ulrich Sohn, sein
väterliches Land; aber Philipp von Hessen beschloß, Ulrich selbst, seinen Vetter
und neuen Freund, wieder einzusetzen, kam deßwegen mit König Franz von Frank-
reich persönlich zu Bar le Due zusammen, drang daun mit 20,000 Manu ins
Würtembergische ein und schlug 13. Mai 1534 das österreichische Aufgebot unter
Pfalzgraf Friedrich bei Laufen am Neckar so, daß Ulrich in Kurzem wieder Herr
seines Landes war. König Ferdinand sah sich genöthigt, zu Kadan in Böhmen
gegen Anerkennung seiner Königswahl von Sachsen und seinen bisherigen Gegnern,
dem eingebornen Herzoge das Land zu lassen, jedoch als Afterlehn des darauf
erbberechtigten Oesterreichs (29. Juni 1534). Der Nürnberger Friede wurde be-
stätiget, dem Kammergericht in Religionsfachen gegen die Protestanten Einhalt
gethan.
Unter diesen Letzter« waren aber die W i e d e r t ä u f e r keineswegs verstanden,
die sich noch immer hier und da, und besonders in den Niederlanden, erhalten hatten.
Von da aus hatte ihre Lehre vorzüglich in Münster in Westfalen großen Anhang
gefunden, wo Missionaire derselben, ein Bäcker Mathiesen aus Haarlem, ein Schnei-
der Johann Bockold aus Leiden, den Pfarrer Nottmann und viel Volks aus ihre
Seite gebracht, nachdem sie anfangs zu dem einen Thore hinausgewiesen, zum
andern wieder hereingekommen waren. Sie brachten 1534 einen ganzen wiedertäu-
serischen Rath ans Ruder, verwarfen Eid und Kindertaufe, verbrannten, mit
Ausnahme der Bibel, alle Bücher, führten Gleichheit der Stände nach Vertreibung
des Domeapitels und des Adels ein, Gütergemeinschaft und Vielweiberei, plünder-
ten oder zerstörten in den Kirchen Orgeln, Bilder, Uhren, Alles, wie sie sagten,
nach göttlichen Eingebungen, denen die Häupter mit Knipperdollings des Scharf-
richters Henkerbeil Glauben zu verschaffen wußten. Als Mathiesen allein gegen
die Bischöflichen, welche die Stadt einschlossen, seiner Eingebung zufolge einen
Ausfall machte und sogleich erstochen wurde, n§hm der Schneider dessen schöne
Frau und nach und nach 14—16 der jüngsten ünd schönsten Mädchen zu Frauen, ^
stellte 12 Richter auf, schickte 28 Apostel in die Welt und ließ verkündigen, daß
alle Könige der Erde vor seinem neuen himmlischen Zion untergehen müßten, in
welchem er selbst, in allen Sinnenlüsten viehisch schwelgend, mit königlichem Schmuck