1839 -
Stuttgart
: Literatur-Comptoir
- Autor: Böttiger, Carl Wilhelm
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
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dcrn erst durch Einwilligung der kur - und fürstlichen Collegien Sitz und Stimme
auf dem Reichstag erlangten.) Ferner gab es Rangstreit zwischen den geistlichen
und weltlichen, zwischen den gräflichen und reichsstädtischen Stimmführern und mit
den fremden Gesandten, welche beim Reichstag waren. Auch in der Art der Be-
rathung der drei Collegien der Kurfürsten, Fürsten (zu denen auch die Grafen und
Prälaten gehörten) und der Reichsstädte herrschte die unseligste Weitläufigkeit.
Erst bericth jedes Collegium unter seinem Directorium für sich, dann theiltcn sich
die beiden obern Collegien die Sache mit; waren sic einig, so war das Reichsgut-
achten auch ohne die Städte fertig: denn trotz des westfälischen Friedens liest man
nur die Mehrheit der Stimmen nicht für, sondern gegen die Städte gelten, deren
Vertreter in dem Re- und Correlationssaal außerhalb der Schranken sitzen mußten.
Das fürstliche Collegium theiltc sich wieder in die geistliche und weltliche Bank (die
evangelischen Bischöfe zu Lübeck und Osnabrück hatten eine Qucrbant). Der
geistlichen Einzelstimmen waren 33 nebst den 2 Curiatstimmen der Prälaten. Auf
der weltlichen Bank saßen 25 Fürstenhäuser (darunter 14 altfiirstliche) mit 61 Stim-
men. Seit 1582 setzte man nämlich fest, daß die Stimme auf dem Lande hafte:
besaß also damals ein Fürst mehrere stimmberechtigte Länder, so blieben diese
Stimmen, auch wenn die Länder in einerhand vereinigt wurden; zerfiel ein 1582
zu einer Stimme berechtigtes Land in mehre Linien, behielt es gleichfalls feine
einzige Stimme. So hatte 1582 das Haus Pfalz 5 Linien und chehielt 5 Stimmen,
auch als jene sich in wenigere consolidirten; dagegen hatte Anhalt damals nur eine
Stimme und bekam nicht mehr, als sich 1586 die 4 Linien von Dessau, Zerbst,
Bernburg und Köthen bildeten. Als die gefürsteten Grafen von Henneberg, die
Herzoge von Pommern, Lauenburg (1689, worüber ein gewaltiger Erbstreit ent-
stand) und Leuchtenberg ausstarben, wurden ihre Stimmen dennoch fortgeführt. —
Die Grafen auf der weltlichen Bank theiltcn sich wieder in das wetterauische,
schwäbische, fränkische und westfälische Collegium, jedes mit seinem Directorium.
Reichsstädte waren 1648 noch 63, wovon später die 10 elsassischen und Straßburg
an Frankreich fielen, also 52 in 2 Bänken blieben, der rheinischen und schwäbischen.
Man unterschied sie wie die deutschen Kreise in rein katholische, rein evangelische
und gemischte (z. B. Augsburg, Dinkelsbühl, Bibcrach, Ravensburg und Kauf-
beucrn). — Nächstdem trennten sich wieder alle Reichsstände in ein eorpus catholi-
corum unter Kurmainz und evan^elicorum unter Kursachscn als Directorcn. Die
Rcichskreise zerfielen in vordere oder vorliegende und andere, die nicht an Frank-
reich gränztcn, in associirte und blos correspondirende u. s. w. Die Reich srit-
tcrschaft, in den schwäbischen, fränkischen und rheinischen Rittcrkreis getheilt,
war zwar für ihre Personen und Territorien völlig unmittelbar, d. h. nur vom
Kaiser und Reich abhängig, aber ohne Stimme auf dem Reichsfürftenrathe. Die
Zahl ihrer Güter belief sich über 1400. Doch gab cs auch sogenannte Persona-
liften, die ohne Rücksicht aus ein Reichsgut ausgenommen waren. Sie hatten auch
nicht volle Landeshoheit, sondern nur einige Regierungsrechtc, waren keinem Reichs-
kreise einvcrleibt, hatten ihre eigenen Directorien, Correspondenz-, Kreis-, Orts-
und Ausschußtage. Auch gab es Ganerbschaften, wie die Burg Fricdberg unter
einem Burggrafen, 12 Regiments- und einer unbestimmten Zahl gemeiner Burg-
männer und unmittelbare Reichsdörfcr, wie die freien Leute auf der Leutkircher
Heide u. A.
Das R ei ch s ka mm e r g c r i ch t (seit 1889 von Spcier nach Wetzlar verlegt)
hatte es nie aus seine 50 Mitglieder gebracht, sondern kaum aus die Hälfte und
blos zu einem Concepte einer verbesserten Kammergerichtsordnung, welches 1613
gedruckt wurde, in der nächsten Visitation revidirt werden sollte. Aber die Visita-
tion trat erst 1707 wieder ein und vollendete die Revision gar nicht. Da man seit