1839 -
Stuttgart
: Literatur-Comptoir
- Autor: Böttiger, Carl Wilhelm
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
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geschlossen hatte, ohne seine Verbündeten zu fragen, und verwandelte sich dort bald
tn Haß, als er die regierende Maitressc Ludwigs, die Pompadour, verspottet
hatte. Gleiche Gesinnung thcilte bald die Kaiserin Elisabeth von Rußland aus
gleichem Grunde. So waren es, Thcrcsien hinzugercchnet, sonderbarerweise 3
Frauen, welche seine Feindinnen waren und nach wenigen Jahren in dieser Feind-
schaft einen Vereinigungspunct fanden. — Aber Friedrich vcrstan.d, sich wenigstens
Achtung bei dem Ausland und Liebe auch bei seinen neuen Unterthanen zu er-
werben, während Ludwig Xv. von Frankreich sich so um die Achtung seines Volkes
brachte, daß selbst ein alter Hofmann (Noailles) ihm erklärte, er werde sein Reich
zu Grunde richten, wenn er die Achtung der Unterthanen nicht wieder zu gewinnen
suche. Und das in einer Zeit, wo ein Montesquieu, Hclvetius, Diderot, der
Atheist aus Maxime, Voltaire, der an allem Heiligen rüttelte, Rousseau, der
Beredteste aller Sophisten (Alle die Sturmvögel der Revolution), mit Ansichten
und Theorien hervortraten, welche fcie Gebrechen der Negierung in einem noch
viel stärkeren Lichte erscheinen ließen und auch einen gesundern Staat hätten erschüttern
können. Vor Allem suchte sich Friedrich durch Vertretung des Protestantismus im
Reiche an die Spitze des evangelischen Rcichskörpers zu stellen, weil Sachsen durch
seinen katholischen Fürsten daran mehr und mehr verhindert war. Er schrieb (un-
orthographisch nach seiner Weise) an den Rand eines Berichtes: „Die Religionen
Müsen alle Tollcriret werden, und Mus der Fiscal nuhr das Auge darauf haben,
das keine der andere abrug Tuhe, den hier mus ein jeder nach Seiner Faßon
Sclich werden *)." In andern Ländern verschlang der Hof den Staat; Friedrich
sparte an sich selbst für den Staat. Nach Abzug der 6 Millionen für das Heer
brauchte er nur 1 Million und 200,000 Thlr., von denen wieder 100,000 für die
italienische Oper ausgingen. Er begünstigte allerdings den Adel im Civil- und
Militairdicnst, aber er ließ auch den berüchtigten Kammcrhcrrn von Pöllnitz aus-
trommeln, daß ihm Niemand borgen solle. Wenn Friedrich auch bisweilen den Staat
unpassend eine Maschine nannte, so zeigte dock gerade Preußen, daß ein Staat
nach dem Maße des Geistes, der in ihm ist, in Geltung stehe. Ein Sänger Fari-
nelli, wie am spanischen Hofe, ein Minister Brühl, wie in Sachsen, wurden so
wenig in Preußen Macht bekommen haben, als die spanische Inquisition mit ihren
Autos da fe und die Maitrcssenwirthschaft in Frankreich mit den von ihr be-
günstigten Crcaturen: der frühe Morgen (im Sommer stand er um 3 Uhr auf)
fand ihn schon thätig. Bei seiner Pünktlichkeit — sein Schrcibkalcnder enthielt
die feststehenden Geschäfte — mußte sich Zeit für Alles finden. „Die Völker sind
nicht um der Regenten, sondern diese um jener willen da," war nicht blos eine
schriftstellerische Phrase des Königs, sondern seine Ueberzcugung.
Aber auch seine große Zeitgenossin Maria Theresia stand als eine von
ihren beglückten Unterthanen hochverehrte Fürstin da. Was auf Preußens Throne
ein großer Verstand vollbrachte, gelang in Oesterreich der edlen Gemüthlichkeit der
hohen Fürstin. Nur daß hier durchgreifenden Reformen des Staates ein Vorur-
thcil in der Masse der Staatsbeamten und in der Culturstufe des Volkes, beim
Heere aber die Masse von Generalen und Feldmarschällen als Hindernisse im
Wege standen. Aber schon das sprach für Thcresiens Verwaltung, daß sie ohne
eine neue Steuer nach dem Verlust von Neapel und Schlesien bald eben so
viel Einkünfte hatte, als ihr Vater zur Zeit der noch ungeschmälerten Gesammt-
monarchie, und daß sie nur erst dann die Vollziehung der Geschäfte — die Leitung
Preuß: Friedrich der Große, l. S. 138.