1839 -
Stuttgart
: Literatur-Comptoir
- Autor: Böttiger, Carl Wilhelm
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
sammcn. Der erste Landtag von 1819 wurde nach 3 Monaten entlassen. Besser
ging's dem 2tcn Landtag, Juli bis September 1820; aber erst seit 1830, mit dem
edeln Großherzog Leopold, der die Verfassung eine Wahrheit sein ließ, kam in
Baden rechtes Vertrauen in den Segen einer guten Constitution. Darum ging
auch dieß sonst so stürmische Jahr in Baden fast ganz ruhig vorüber. Von Cabi-
netsherrschaft war nicht mehr die Rede. Am 17. März wurde der Landtag eröffnet,
und ausgezeichneten Talenten Raum gegeben. Ueber die Preßfreiheit sprachen
selbst einfache Landleute. Aber auch auf diese Versammlung wirkte der Fall War-
schau's nachtheiligein; es bildete sich über die Preßfreiheit u. A. Spannung, man
knüpfte die Bewilligung des Budgets an die der Preßfreiheit. Doch lenkte man
noch besonnen ein, griff aber den Widerstand der ersten Kammer an und brachte
am 24. Decbr. ein Preßgesetz durch, mit welchem der für ganz Deutschland wichtige
Landtag am 31. Octbr. 1831 geschlossen wurde. Als aber im folgenden Jahre
eine Anzahl Zeitungen aufhören mußten, als auf die Kunde von den Hambacher
Schwindeleien die öffentlichen Reden bei allen Volksversammlungen verboten wur-
den (zu Badcnweiler nicht befolgt), in Folge der Bundestagsbeschlüffe vom 28. Juni
das Preßgesetz außer Wirksamkeit trat, und in Freibuig eine starke Opposition
dagegen laut wurde: mußte der Großherzog am 6. Septbr. die Universität bis zu
ihrer Reorganisation (5. Rov.) schließen lassen und Rottek und Welker, Haupt-
sprecher von 1831, von ihren Lehrstühlen entfernen. Zu den Merkwürdigkeiten der
Zeit gehörte die von 280 katholischen Geistlichen (darunter 3 zwischen 70 und 80
Jahren) an den Landtag errichtete Petition um Aufhebung des Cölibats. Der
Landtag 1832, 20. Mai — 13. Rov., wurde zwar von einem Minister der Landtag
der Verwahrungen genannt, aber doch auch manches Gute zu Stande gebracht.
Die beiden Herzoge von Meklenburg-Schwerin (223 lumeil., 450,000
Seelen) und Strelitz (36 Cuneil., 80,000 Seelen.), Friedrich Franz seit 1784
und Georg seit 1816, erhielten auf dem Wiener Congresse die großherzogliche Würde
(und Strelitz noch eine, über dem Rhein gelegene, aber an Preußen verkaufte
Gebietsvergrößerung mit 10,000 Seelen) und haben noch gemeinschaftliche Land-
ftände aus Ritterschaft und Städten. Die Leibeigenschaft und Erbunterthänigkeit
hörten seit 1821 allmählich auf. Dafür bildete sich dort eine wicdertäuferische
Secte, der aber die Regierung entgegentrat. — Dieselbe großherzogliche Würde
erhielt 1814 der Herzog von Oldenburg (116 lumeil., 230,000 Seelen) und
das Fürstenthum Birkcnfeld hinzu, so wie von Rußland die Herrschaft Jever. Erst
der zweite Nachfolger, der seit 28. Aug. 1829 regierende August, fing an, den groß-
herzoglichen Titel zu führen, so wie endlich durch eine Verordnung über Verfassung
und Verwaltung der Landgemeinden eine landständische Verfassung, wie er auch
1832 seinen Birkenfeldern versprach, vorzubereitcn.
Von kleinern deutschen Staaten erhielten das Fürstenthum Waldeck, 19. April
1816, Lippe-Schaumburg, 15. Jan. 1816, Lippe-Detmold, 8. Juni 1819
(die aus der Feder der Fürstin Mutter und Vormünderin, Paulina, selbst geflossen
sein soll, wegen Widerspruchs aber noch nicht ins Leben trat), das Fürstcnthum
Liechtenstein, 9. Nov. 1818, Schwarzburg-Rudolstadt, 21. April 1821,
Schw. Sondershausen seit 28. Dec. 1830 Verfassungen. Alte landständische
Einrichtungen sind noch in den Reußischen und Anhalt'schen und Hohenzollern
H e ch i n g e n'schcn Ländern. In Hohenzollern Sigma ringen wurde 11. Juli
1833 der neue Vcrfassungsvertrag zwischen Fürst und Ständen besiegelt. Unter den
4 freien Städten hat Frankfurt in neuerer Zeit wesentliche Verbesserungen cintreten
lassen. — Wie mangelhaft auch noch hin und wieder das constitutionelle Wesen ge-
handhabt wird: immer ist eine große Masse politischer, staatswirthschaftlichcr und
staatsrechtlicher Ideen unter das Volk gebracht, und ein reges, lebendiges Interesse