1827 -
Leipzig
: Brockhaus
- Autor: Meynier, Johann Heinrich
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Inhalt Raum/Thema: Europäische Geschichte
17* Kaiser Wenzels Unwesen in Böhmen.
(Vom Jahr 1368 an.)
Nach Karls Iv. Tod erhielt sein ältester Sohn Wen-
ceslas oder, wie die Deutschen ihn nannten, Wenzel,
Die deutsche Kaiserkrone, Böhmen und Schlesien; dessen
Bruder Siegmund aber die Mark Brandenburg, und
der zweite Bruder Johann, Schweidnitz und einen Theil
der Lausitz.
Bei des Vaters Tod war Wenzel erst siebenzehn Jahre
alt. Er bestieg den Thron mit einer Menge Untugenden
und Fehler, womit er seine Unterthanen unglücklich, sich
selbst aber ihnen und der ganzen Welt verächtlich machte.
Er war sinnlich, wollüstig, grausam, unbesonnen, argwöh-
nisch, dem Trunk ergeben. Ohne Grundsätze, ohne Sinn
für Gerechtigkeit und Billigkeit, überließ er sich sonder
Zwang seiner rohen Natur. Seine meiste Zeit brachte er
auf der Jagd und auf dem Lande zu. Ueberall wo er
hinging, war sein Begleiter ein großer Hund, den er oft
zum Vergnügen auf die Leute hetzte, um sich an ihrem
Schrecken zu ergötzen. Eine Menge vornehmer Böhmen,
geistlichen und weltlichen Standes, ließ er ohne Proceß
und rechtliche Ordnung hinrichten, und den Scharfrichter
nannte er seinen Gevatter. Lobenswerth war cs zwar,
daß er die Diener der Religion, die ihn durch ihr unge-
bundenes Leben erzürnten, zu besserer Zucht anhielt; er
bestrafte sie aber mit barbarischer Strenge, und deswegen
rühmten sie wenig Gutes von ihm, und wollten ihm sogar
seine rechtmäßige Geburt streitig machen. Er war, wenn
man ihnen glaubt, gar nicht Kaisers Karl Iv. Sohn,
sondern ein nürnberger Beckerbube, der mit einer Prinzessin
verwechselt wurde, mit welcher die Kaiserin in dieser Stadt