1827 -
Leipzig
: Brockhaus
- Autor: Meynier, Johann Heinrich
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Inhalt Raum/Thema: Europäische Geschichte
wird mit ganz Italien, wo man ihn noch bis auf diesen
Tag den unsterblichen, den göttlichen Nafael
nennt, ewig stolz auf ihn sevn. Er war der Sohn eines
armen Malers, der ihm früh schon die Reißfeder in die
Hand gab, und sich bald zu schwach fühlte, ihn weiter zu
unterrichten. In der Stadt Perugia lebte damals ein be-
rühmter Maler, Peter Perugino. Ihm übergab der
Vater den Jüngling zu weiterer Ausbildung; aber auch
dieser Künstler wurde von dem talentvollen Schüler über-
flügelt, und bald setzte sich der junge Rafael so sehr bei
den Kunstkennern in Ansehen, daß ihm Kirchen - und
Cabinetarbeiten angetragen wurden. — Das Verlangen,
die berühmten Cartons (Musterzeichnungen) des Leon-
hard da Vinci und Michel Angelo zu sehen, führte
ihn nach Florenz, wo er ein ganzes Jahr verweilte, sich
mit großem Eifer dem Studium der Anatomie und Per-
spective widmete und sich unermüdet im Zeichnen übte.
Die herrlichen Antiken und die meisterhaften Gemälde des
Michel Angelo, die er täglich vor Augen hatte, ließen
ihn nicht mehr schlafen. So gelangte er zur Correctheit,
der Festigkeit der Umrisse, der Grazie, die man in allen
seinen Werken bewundert.
Nach seiner Rückkunft in Rom wurde er dem dama-
ligen Papst Julius Ii.7 einem großen Freunde guten
Weins und geistreicher Gemälde, empfohlen. Für ihn malte
er den Streit der Sakramente, die Schule von
Athen (eine Versammlung der griechischen Dichter und
Weltweisen) und den Berg Parnassus. Kaum hatte
Julius die zwei ersten Stücke gesehen, so ließ er viele
Gemälde andrer Meister übertünchen und die Wände von
Rafael neu bemalen. — Michel Angelo arbeitete da-
mals an seinem jüngsten Gericht in der sixtinkschen Kapelle,
und wollte dieses Gemälde Niemanden sehen lassen, bis es