1827 -
Leipzig
: Brockhaus
- Autor: Meynier, Johann Heinrich
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Europäische Geschichte
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So welkte er, von der Folter eines geängstigten Ge-
wissens gepeinigt, von den Schatten der Gewürgten ver-
folgt, von den Schrecken der Hölle gegeißelt, der Stunde
der Rechenschaft entgegen, die endlich am 30. Mai 1574
für ihn schlug. Er starb im 25. Jahr seines Alters, nicht
ganz zwei Jahre nach der Bartholomäusnacht.
L. König Heinrich Iii. von Frankreich und
die heilige Ligue. (um 1584.)
Heinrich Iii., ein Bruder Karl's Ix., einer der
schönsten Männer seines Hofes und ein Freund von könig-
lichem Prunk, versprach äußerlich einen ganz andern Mann
als er wirklich war. Er zeigte sich mit einer Würde und
sprach unvorbereitet mit einem Anstand und einer natürli-
chen Beredtsamkeit, die in Erstaunen setzte. Sein Herz
wurde aber schon früh durch Wollust verdorben, und bald
verschwand das Wohlwollen, das die Unschuld seiner Jugend
verschönerte. Liebe zur Ruhe und Behaglichkeit trat an
die Stelle seiner ehemaligen Thätigkeit und Seelenstärke;
seine Gerechtigkeitsliebe artete in Verfolgungswuth, seine
Religiosität in Mönchsandacht aus. Bald war er nichts
weiter mehr, als ein weibischer, müßiger, eitler, schwelge-
rischer Fürst. Ganze Tage brachte er auf seinem Zimmer
mit seinem Putze zu, oder mit Berathschlagungen über den
Schnitt eines neuen Kleides oder die Form eines Halskra-
gens. Sein Hof verwandelte sich in ein Gasthaus; täglich
war offene Tafel; täglich wurden Bälle, Possenspiele und
Feste gegeben, bei denen die zügelloseste Freiheit herrschte.
Zucht und Ehrbarkeit schienen ausgestorben, auch das Un-
anständigste wurde nicht verschmäht. Der König trat öfters
mit seinen Lotterbrüdern in Weibskleidern auf, lief mit
ihnen auch in andern lächerlichen Vermummungen durch die