1827 -
Leipzig
: Brockhaus
- Autor: Meynier, Johann Heinrich
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Europäische Geschichte
verstärkte den schauderhaften Eindruck. Tiefes Stillschwei-
gen herrschte um sie her. Sie bestieg die Blutbühne und
betrachtete ruhig den Block, das Beil, den Scharfrichter.
Man reichte ihr einen Stuhl, auf dem sie nochmals die
Vorlesung des Todesurtheils anhören mußte. Jetzt trat
der Dechant von P eters borough zu ihr hin und ermahnte
sie im Namen der Königin Elisabeth, die katholische Reli-
gion abzuschwören. Maria bat ihn, sie mit vergeblichem
Zureden zu verschonen, und wurde ungeduldig, da er nicht
aufhörte zu reden und mit dem ewigen Höllenfeuer zu
drohen. Entschlossen, in der Religion, in der sie geboren
war, zu sterben, warf sie sich auf die Kniee nieder und
rief laut die Jungfrau Maria und die Heiligen an, für sie
zu bitten, ohne weiter auf den Dechant zu achten. Am
Ende drückte sie das Crucisix an ihre Lippen, mit den Wor-
ten: O Jesu, breite auch nach mir die Arme aus, die du
zur Vergebung unserer Sünden am Kreuze ausstrecktest!
Ihre Kammerfrauen halfen ihr nun, sich auszukleiden,
die Hülfe des Scharfrichters aber wurde zurückgewiesen. —
Nun war sie bereit. Ihre Frauen und Diener brachen in
lautes Wehklagen aus; Maria aber legte den Finger auf
den Mund, damit sie schwiegen, und sagte ihnen das letzte
Lebewohl mit einem Lächeln, das, anstatt sie zu trösten,
ihre Herzen noch weit tiefer verwundete. Sogar der Scharf-
richter blieb nicht ungerührt und. bat sie auf den Knieen
um Verzeihung, wenn er sein schweres Amt an ihr verrich-
ten müsse.
Sie knieete jetzt nieder. Auf dich, o Herr, sprach sie
betend, setze ich mein Vertrauen, laß es nicht zu Schanden
werden! — Es wurden ihr die Augen verbunden, und
sie legte den Hals auf den Block. — In deine Hände,
o Gott, befehl' ich meinen Geist! — Dies waren ihre
letzten Worte. Der Scharfrichter hatte aber so ganz alle