1827 -
Leipzig
: Brockhaus
- Autor: Meynier, Johann Heinrich
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Europäische Geschichte
252
rina erschrak über diese armseligen Anstalten und erblaßte.
Indessen kamen auch die andern zum Vorschein. Die
Kaiserin sagte ihnen in einer Anrede, die sie hielt, sie
komme, sich in ihre Arme zu werfen und Schutz und
Rettung zu suchen vor ihrem Gemahl, der Befehl ertheilt
habe, sie und ihren Sohn zu tödten. Sie sprach nicht
vergeblich. Alle schrieen und schwuren, für sie zu sterben.
Die Ofsiciere eilten herbei und der Haufe vergrößerte sich
mit jeder Minute. Es wurde ein Priester gerufen, der
Allen beim Crucisix den Eid der Treue abnahm. Auch
sammtliche Häupter der Verschwörung fanden sich ein, und
der verhaftete Paffig wurde wieder frei gemacht. Or-
loff war zum Artillerieregimcnte geeilt, dessen Schatzmei-
ster er war. Bald sah sich die Kaiserin von 10,000 Mann
umgeben. Nun zog sie, von den Truppen und einer un-
zähligen Menschenmenge begleitet, nach der Hauptkirche
der Stadt, um ihre Andacht zu verrichten und ihrem Un-
ternehmen den Schein einer heiligen Pflicht zu geben.
Don da ging der Zug nach einem großen Palaste, der
mit Soldaten umstellt wurde.
Schon vorher hatte Orloff die Brücke verrammeln
lassen, die von Petersburg nach Oranienbaum führte,
damit Peter nichts von dem, was vorgegangen war, er-
fahren möchte; allein schon war es zu spat. Ein ehema-
liger Haarkräusler, Namens Bressan, der dem Kaiser
sein Glück verdankte, hatte einen Knecht, als Bauer ver-
kleidet, mit einem Schreiben an ihn abgeschickt, worin er
ihm Nachricht von den Ereignissen dieses Tages ertheilte,
mnd der Bote kam glücklich über die Brücke, ehe sie ab-
gebrochen war.
Indessen ließ die Kaiserin ihren Prinzen aus dem
Schlafe wecken und zu sich bringen. Von einem Balkon
herab stellte sie ihn den Soldaten und der zahllosen Volks-