1823 -
Elberfeld
: Büschler
- Autor: Kohlrausch, Friedrich
- Auflagennummer (WdK): 5
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
130 Vi. Ztr. Karl V. bis zum westph. Fried. 1520 — 1648.
unbestochen gelten kann, der Graf Gualdo, ein Vcneti-
aner und Katholik, der sich verschiedene Jahre sowohl bei
den kaiserlichen als schwedischen Heeren aufgehalten, schildert
des Königs große Eigenschaften auf folgende Weise: „Gu-
stav war groß gebaut, stark,» von königlichem Ansehn r
welches die Herzen mit Ehrerbietung, Verwunderung, Vtcbc
und Furcht erfüllte. Sein Haar und Bart waren blond,
das Auge groß, aber nicht in die Ferne sehend. Von sei-
ner ersten Jugend an hatte der Krieg für ihn großen Reiz,
und Ehre und Ruhm waren seine Leidenschaft. Auf seiner
Zunge wohnte Beredsamkeit, Anmuth und Leutseligkeit wa-
ren in seiner Unterhaltung. Es ist kein Feldherr, dem man
mit solcher Neigung und Ergebenheit gedient, als ihm.
Er war freundlich, lobte gern, und tapfere Handlungen
blieben unauslöschlich in seinem Gedachtniß. Aber höfisches
Wesen und Schmeichelei haßte er, und wenn einer sich ihm auf
solche Weise nahte, so konnte er sein Vertrauen nicht gewin-
nen. Gegen die Ausschweifungen der Soldaten war er streng,
und sehr besorgt für die Sicherheit des Bürgers und Land-
manns. Als ihm nach der Eroberung einer katholischen Stadt,
Einige riethen, dre Bürger streng zu behandlen, und ihnen
neue Gesetze zu geben, antwortete er: „Die Stadt ist nun
mein und nicht mehr des Feindes. Ich bin gekommen, der
Freiheit die Fesseln abzunehmen, nicht sie in neue zu schla-
gen. Lasse man sie leben, wie sie bisher gelebt; ich gebe
denen keine neue Gesetze, die so zu leben wissen, wie sie ihre
Religion gelehrt hat."
Bei der Behandlung der Protestanten und Katholiken
machte er keinen Unterschied. Sein Grundsatz war, daß
jeder ein Rechtgläubiger sey, der sich den Gesetzen gemäß
verhalte. Die Menschen vor der Hölle zu bewahren, sey
nicht Beruf der Fürsten sondern der Prediger."
Eine Bestätigung dieses Urtheils gab unter andern sein
Aufenthalt zu München. Am Himmelfahrtstagc 1632
gingerdort in die Liebfrauenkirche, um einer Messe mit
aller Feierlichkeit des katholischen Gottesdienstes beizuwoh-
uen; dann besuchte er das Jesuiterkolegium, beantwortete
des P. Rektors lateinische Anrede in derselben Sprache,
und unterhielt sich fast eine Stunde lang mit ihm über die
Lehre vom Abendmahl. So spiegelt sich sein großer welt-'
geschichtlicher Geist, der weit über sein Zeitalter hinausragtc,
auch darin, daß er, bei der wärmsten Frömmigkeit in sei-
ner Brust, doch auch die Gestalt zu ehren wußte, in welcher
sich der Glaube in dem Gemüthc eines andern darstcllte;
wie überhaupt darin, daß er Größe und Wahrheit neben
sich duldete, und ein Freund der Freiheit war.