1823 -
Elberfeld
: Büschler
- Autor: Kohlrausch, Friedrich
- Auflagennummer (WdK): 5
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
148 Vii. Zlr. Vom westph. Fried, bis jetzt. 1648 — 1823.
haben sie die Majestät ihres eigenen Vaterlandes entwaffnet."
— Trennung erbeb sich allenthalben statt der früher« Einheit.
Wicvon dem Kaiser, so trennten sich die Fürsten auch immer
mehr unter einander, seit sie nicht mehr auf den Reichsta-
gen selbst zusammen kamen, in traulichem Verein, nach deut-
scher Sitte, beim fröhlichen Mahle sich die Hand reichten
und die persönliche llrafr und Ueberlegenheit die geringere
Macht an Land und Leuten vergessen machte. Jetzt wurde
die Zahl der Untertbancn der Maßstab der Größe und des
Ranges, und der Mächtigere hielt sich von nun an weit
über dem, welcher ein kleineres Land beherrschte. Die Klei-
neren dagegen wollten den Größeren an äußerem Glanze
nicht nachstehen, ahmten ihnen in allen Dingen nach, und
so kam es dabin, nach dem Worte eines Schriftstellers: „daß
kaum ein Ländchen in Deutschland übrig blieb, dessen Herr
sich nicht dünkte, etwas Äehnliches von Ludwig X!V. zu
seyn, sein Versailles zu bauen, Höflinge uns Soldaten zu
halten."
In solcher Absonderung der Herrscher, wie der Völker,
von einander, verlor sich die alte Uebereinstimmung der
Eigenthümlichkeit immer mehr. „Wer früher Einen deut-
schen^ Hof gesehen, kannte sie alle, Eine Landes-Verfassung
glich in den Hauptzügcu allen übrigen. 9£im aber, da m
den einzelnen Ländern Alles von dem Winke eines Einzigen
abhing und in der Verschiedenheit von der vaterländischen
Gemeinsitte oft ein Verdienst gesucht wurde, veränderte die
Hofessitte das Land, und das Finanz-System die Verfas-
sung desselben " Daher sind der Stimmen viele laut ge-
worden, welche die Zertheiluug Deutschlands in eine Viel-
berrschaft hart getadelt haben; andere dagegen nahmen die-
selbe in Schutz. Die letztern führen das Glück der kleinen
deutschen Länder für sich an, welchen ein rechter Vater des
Volkes als Herrscher zu Theil wurde. „Er konnte wie ein
Familienhaupt Allen nahe seyn, sagen sie, mit den eigenen
Augen sehen und mit eigenen Händen Segen verbreiten,
statt daß in dem großen Staate die Verwaltung wie ein
zusammengesetztes Uhrwerk nach berechneten, unveränder-
lichen Gesetzen gehen muß, und der Landeöfürst den meisten
Antertbanen ein ferner, unsichtbarer Gewalthaber ist. Die
Menge der größeren und tlerneren Fürstensitze ferner, welche
durch Förderung von Äun t und Wissenschaft mit einander
wetteiferten ^ erhielten das vielseitige Leben in ihnen, so
daß wovl bald kein Volk der Erde in umfassender Bil-
dung sich mit dem deutschen vergleichen mogte. Bei andern
Völkern gab die allgemeine Hauptstadt, in weicher sich Alle
zusammendräugten, für das, was als wahr und schön und