1823 -
Elberfeld
: Büschler
- Autor: Kohlrausch, Friedrich
- Auflagennummer (WdK): 5
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
Der Friede zu Lüneville. 279
land bei uns Ersatz bekommen, ihm wurden die Stif-
ter Fulda und Corvey und mebrere Abteien mit 45 Qua-
dratmeilcn und 120,000 Einwohnern eingeräumt.
10. Eben so erhielten die andern uassauischcn Häuser, der
Herzog von Oldenburg und der Fürst von Turn und
Taris einige, ihren Verlusten angemessene, Entschä-
digungen.
Bei diesen Unterhandlungen gab Frankreich, herrischer
und viel anmaßender, als bei dem westphälischen Frieden,
das Gesetz, und durch Ertheilung oder Verweigerung seiner
Gunst befestigte es seinen Einfluß auf unser unglückliches
Vaterland, wie noch nie. Denn an seinem Worte hing da-
mals, in einer Zeit, die einen Gewinn an äußerer Ausdeh-
nung noch immer für das Höchste hielt, Wohl und Wehe.
Der Friede von Lüneville hatte alle geistlichen Herrschaf-
ten in Deutschlands bis aufeine, vernietet; von 48 Reichs-
städten nur 6, Lübeck, Hamburg, Bremen, Frankfurt,
Augsburg und Nürnberg, übrig gelassen; die Reichsgrafcn
und Ritter mittelbar gemacht, und vieren aus der Mitte
der weltlichen Fürsten den Churhut gegeben, der in wenigen
Jahren seine alte, ehrwürdige Bedeutung vertieren sollte;
denn diese neuen Wahlfürsten haben zu der Ausübung ihres
vornehmsten Rechtes nicht Zeit gefunden. Wie der Hauch
einer leichtsinnigen Gegenwart sie geschaffen hatte, die mit
Gütern verschwenderisch sich zeigte, deren Werth sie nicht
mehr erkannte, so verwischteste der Hauch des nächsten Au-
genblicks so schnell, als sie entstanden waren. Jener Leicht-
sinn war der Vorbote des nahen Umsturzes; denn gegen
solche Willkühr waren die Eingriffe des westphälischen Frie-
dens in die Ordnung des Reiches nur ein Kleines gewesen.
Was jener schüchtern und nur als Versuch gewagt, vollführte
der Lüneviller Friede un Großen, ohne Scheu gegen tau-
sendjährige Stiftungen.— Eine tiefe Trauer mußte jedes
vaterländische Gemüth erfüllen; denn kein Auge vermag
ohne Wehmuth auf den Trümmerhaufen zu blicken, in
welchen ein Sturm die geliebte Heimath verwandelt hat.
Und wenn auch die Pfeiler des alten Gebäudes morsch und
die^ Grundfesten erschüttert waren; an den Pfeilern und
Wänden erschienen doch noch die Bildereiner großen, wür-
digen Vorzeit und die Zeugnisse einer Herrlichkeit und Freu-
digkeit des Volkslebens, wie wenige Geschichten sie nennen
können.
Der Lüneviller Friede ist die eigentliche Aufhebung der
alten Reichsverfassung, nicht die nachherige Errichtung des
Rheinischen Bundes und die Niederlegung d r deutschen Kai-
serkrone. . Denn jener Bund war nur der Anfang eines