1817 -
Elberfeld
: Büschler
- Autor: Kohlrausch, Friedrich
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
Schilderung des Mittelalters. *(>»
würdigsten Fleiße in der Ausführung des Einzelnen'
Bei der Betrachtung jener außerordenlichen Gebäude
wird das Herz groß und die Brust weit, und wir
verlieren und vergessen uns selbst ganz in der Größe
des Werkes; es ist, als wenn der Geist an dem
kühnen Gebilde mit gen Himmel emporgetragen wür-
de und die irdische Schwäche ablegte. Das ist aber
das rechte Probezeichen von allem, was in der Na-
tur und unter den Werken der Menschen in Wahr-
heit erhaben ist. Und wenn das Auge, nachdem es
sich von dem ersten, überwältigenden Eindrücke des
Ganzen gesammelt hat, auch das Einzelne betrachten
wrll, so findet es fast keinen Stein an dem ungeheu-
ren Gebäude, welcher in seiner rohen Gestalt einge-
fügt wäre; sondern ein jeder einzelne trägt irgend
eine künstliche Arbeit an sich, welche in die Verzie-
rung des Ganzen hmeinpaßt. Wie in Gottes Schöpf-
ung kein Grashalm ist, - welcher nicht feine eigene
Schönheit und Zierde hat, und wie dieser Halm mit
dem Tausenden seines Gleichen und mit Bäumen und
Felsen und Seen zusammen ein großes reiches Bild
darbietet; so diese Werke teutsches Fleißes und teut-
scher Kunst, die treu in dem Kleinsten und erhaben
ln dem Gedanken des Ganzen, in solcher Vereini-
gung der beiden Endpunkte von keinem Volke der
Erde übertroffen sind. *)
Zur Ausschmückung der Kirchen und anderer
*) Bon dem Münster in Straßburg merken wir uns noch,
daß er der höchste Thurm in Europa, und 490 Fuß hoch,
ist; Bischof Werner hat dngefangen, das Fundament zur
Kirche im I. 1015 zu legen, sie wurde aber erst ,275
vollendet. Darnach entwarf der treffliche Werkmeister,
Erwin von Steinback den Plan zu dem Thurme;
im I. 1277 wurde der Bau desselben begonnen, und
1488 durch den Werkmeister Johann Hstlz aus Köln
vollendet; also, daß an dem Werke 424 Jahre gearbei-
tet ist. Von dem Kölner Dome, welcher iw seiner Anlage
(durch den Erzbischof Konrad von Hochsteden 1248) noch
großartiger ist, ist nicht einmahl die Kirche selbst, qe,
schweige der Thurm, fertig geworden, obgleich der Bau
250 Jahre gedauert hat. Darüber werden wir uns nicht
verwundern, wenn wir die Tausende von Bildern sehen,
die in diesen Steinen ausgehauen sind.
Es ist ein ewiger Ruhm unseres Volkes und jener Zei»
ten, daß es zu solchen Werken den Fleiß, die Geduld und