1817 -
Elberfeld
: Büschler
- Autor: Kohlrausch, Friedrich
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
Kaiser Friedrich Iii. 3ai
gesponnener Rede, und hatten hundert Gründe, mit
denen sie bewiesen, daß ihrem Fürsten oder ihrer
Reichsstadt zu viel von der Last des Ganzen aufge-
bürdet sey. Man stritt darum, wer am wenigsten
für das Wohl des Vaterlandes beizutragcn brauche;
und darüber konnte wohl nie das Rechte und Große
zu Stande kommen. Auch fing das liebet schon an,
daß man nicht von Mund zu Mund mit einander
redete, einfach, kurz und kräftig, sondern in weit-
lauftigen Schriften und Gegenschriften; an die Stesse
der lebendigen Rede trat der todle Buchstabe. Und
wenn man endlich glaubte, daß eine Sache zur Ent-
scheidung gedrängt sey, so trat vielleicht ein Gesand-
ter mit der Entschuldigung auf, daß er keine Ver-
haftungsbefehle mehr habe; und mit der Einholung
neuer gingen wiederum Monate verloren. So kam
es, daß von nun an fast auf ke.inem Reichstags ein
fester und bündiger Schluß gefaßt wurde; sondern
immer verschob man den Ernst der Entscheidung auf
eine neue Versammlung, und diese machte wiederum
eine neue nöthig. — - Wie anders war es und besser,
als noch die Fürsten selber freien Angesichts ein-
ander gegenüber standen, und in einer Stunde herz-
licher Unterredung mehr entschieden wurde, alö spä-
ter in Wochen und Monaten!
Der Kaiser konnte den Ernst in die öffentlichen
Angelegenheiten nicht bringen; kaum konnte er lein
Ansehn bei seinen eigenen Untecihanen behaupten.
Der östreichische Adel erkühnte sich, seinem Landes-
herrn Fehdebriefe zuzuschicken; selbst die Stadt Wien
empörte sich gegen ihn, und sein Bruder Albrecht
hatte seine Freude an diesem Unfug, und schürte
das Feuer immer starker an. Es kam so weit, daß
Advocatenwelt überg den wurde; — sondern auch darin,
daß nach und nach die ganze Staatsverwaltung, hes
Reiches wie der einzelnen teu'tschen Lander, in die Hände
der Rechtsgelegrten kam. Fast kein döberer Staatsbe-
amter war, der nicht die Rechtswissenschaft zu seinem
Hauptstudium gemacht daben mußte. Die einfachen Be-
wegungen des Lebens wurden in feste, ertödtende, weit-
schweifige Formen gezwängt, und jene Schwerfälligkeit
der teutschen Staatsverwaltung erzeugt, die oft genug
den Fremden zum Spotte gedient hat.
Kohlr. L. G. iv Lhl. sie Aust. (21)