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1. Geschichte der neueren und neuesten Zeit - S. 240

1875 - Münster : Coppenrath
— 240 — Zug nach Versailles. — Am 5. Oktober 1789 brach in Paris ein neuer Tumult als Folge einer großen Brodtheuerung aus, ein Tumult, der alle übrigen an Gräßlichkeit überbot. Ein roher Haufen Weiber, unter denen die Fischweiber — die sogenannten Damen der Halle — die Hauptrolle spielten, zog mit dem Schrei: „Brod! Brod! — Nach Versailles! Nach Versailles!" — durch die hungernde Hauptstadt. Männer, als Weiber verkleidet, schloffen sich dem Gesindel an. Das Rathhaus wurde erstürmt, Waffen und Kanonen von den wüthenden Weibern fortgeführt. Mit jedem Augenblicke wuchs die tobende Menge, und immer wüthender und allgemeiner wurde das Geschrei: „Brod! Brod! — Nach Versailles! Nach Versailles!" Lafayette, derselbe, welcher an dem amerikanischen Freiheitskriege so thätigen Antheil genommen hatte und jetzt Befehlshaber der Nationalgarde war, ließ diese unter Waffen treten, um das Gesindel auseinander zu treiben. „Wir fechten nicht gegen verhungerte Weiber!" riefen die Garden und forderten selbst, nach Versailles geführt zu werden. Vergehens suchte Lafayette durch Bitten und Ermahnungen die Aufrührer zu besänftigen. Ihn größeres Unglück zu verhüten, gab er der Gemalt nach; und ungeachtet der Abend schon einbrach, und der Regen in Strömen vom Himmel goß, brach der Haufe mit zwanzig Kanonen unter wildem Freudengeschrei nach Versailles auf. Gegen Mittag langte der Vortrab der Weiber mit ihren männlichen Alliirten unter Gesang und Trommelschlag in Versailles an. Ihr erster Besuch galt der Nationalversammlung. Ein roher Mensch, Maillard, den bloßen Säbel schwingend, mit einem Weibe neben sich, welches an einer- langen Stange eine Trommel trug, hielt im Namen des Volkes eine Rede. „Wir haben kein Brod," rief er, „wir wissen, der König und seine Minister sind Verrathet; aber der Arm des Volkes ist erhoben, sie zu zerschmettern." Diese Worte wurden von seinen Begleitern mit den heftigsten Drohungen gegen den König und die Königin begleitet. Darauf drang die ganze Rotte der Weiber tobend und lärmend in den Saal und mischte sich unter die Abgeordneten. Ein Weib bemächtigte sich sogar des Sitzes des Präsidenten und ahmte, mit der Glocke in der Hand, seine Verrichtungen nach. Dann holten sie Lebensmittel und Wein herbei, tranken, sangen, fluchten, schimpften und schrieen wild durcheinander. Die Versammlung suchte vergebens sie zu beruhigen; der Präsident selbst führte einige Weiber in's Schloß zum Könige. Dieser gab ihnen
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