1839 -
Leipzig
: Gebhardt & Reisland
- Hrsg.: Flathe, Ludwig
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Viertes Buch.
weder die Gegenstände noch die Art der Verhandlungen scharf, pe
überließ die Deputaten sich selbst. Daher vereinigten sich die beiden
Revolutionsparteien, die englische und die demokratische, zuerst zu
einem gemeinschaftlichen Kampfe, um die gegenwärtige Verfassung
niederzuschlagen. Sie nahmen zum Mittelpuncte ihrer Operationen
die Kammer des dritten Standes, weil da ihre Anhänger am zahl-
1789 reichsten waren. Diese beschloß 15. Juni 1789, daß sie eine Na-
tionalversammlung sei, und lud Adel und Klerus ein, sich mit ihr
zu vereinigen. Dieser Schritt geschah, damit die drei Kammern
der Generalftaaten aufhörten und nur eine Körperschaft entstehe, in
welcher nach Köpfen gestimmt würde. So nur hofften die Revolu-
tionsparteien ihre Sache hinausführen zu können. Die Majorität
des Klerus, eine Minorität des Adels schloß sich an diese neue Na-
1789 tionalversammlung an, welche keck 20. Juni 1789 weiter decretirte,
daß sie für das Reich eine neue Verfassung entwerfen und sich nicht
eher trennen werde, bis sie vollendet sei. Ueber diesen Gang der
Dinge erschrak Ludwig Xvi. und begriff, welcher Fehler damit be-
gangen worden, daß man die Generalftaaten sich selbst überlassen
und eine neue Verfassung denselben nicht gleich fertig, nicht gleich'
als künftiges Reichsgesetz vorgelegt habe. Das Versäumte sollte nun
nachgcholt werden. Ludwig Xvi. hielt 23. Juni 1789 eine könig-
liche Sitzung, bei welcher alle drei Kammern der Generalstaaten
anwesend, und ließ den Entwurf einer neuen Verfassung verlesen.
Der König wollte nun die alten Generalstaaen mit dem Rechte der
Steuerbewilligung für immer Herstellen. Neckcr hatte abermals ver-
gebens gerathen, einen Schritt weiter zu gehen und die englische
Verfassung in ihren Hauptgrundzügen in Frankreich einzuführen.
Vielleicht hätte dadurch noch jetzt die demokratische Revolution ver-
mieden werden können. Was Ludwig Xvi. bot, war beiden Re-
volutionsparteien, die unterdessen ihre Kräfte kennen gelernt, viel
zu wenig. Sie erklärten, daß es bei ihren früheren Beschlüssen
bleibe, und sie hatten nichts weiter nöthig, als dieses zu erklären.
Die ungeheure Majorität der Franzosen und selbst das Heer hatte
sich unbedingt für die Nationalversammlung ausgesprochen, die Re-
gierung dagegen im Nu alle Kraft und alles Ansehen verloren. Der
König mußte nun selbst, was bis jetzo noch nicht geschehen, die
1789 Nationalversammlung anerkennen 27.. Juni 1789. Alle Deputirte,
Klerus, Adel, Gemeine flössen nun in diese eine Körperschaft zu-
sammen. Ludwig Xvi. machte noch einen unglücklichen Versuch,
seine Autorität, welche durch diese Vorgänge bitter verletzt worden,
Lameth. Histoire de l’Assemblée constituante. I. Ii. 1828. 1829. —
Lacretelle. Histoire de l’Assemblée constituante. I. Ii. 1825.