1839 -
Leipzig
: Gebhardt & Reisland
- Hrsg.: Flathe, Ludwig
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Die Revolution.
in das Gouvernement ein. Zwar nicht directe, aber indirecte Angriffe
auf die königlichen Versprechungen der Charte erfolgten häufig und das
Land kam in große Bewegung. Die Partei, welche die, Bourbons,
wie diese auch immer sein möchten, haßte, erlangte nunmehr immer
größern Einfluß.
Schon im Jahre 1827 war die Bewegung so groß geworden, daß
doch Bedenklichkeiten über Karl X. gekommen zu sein scheinen. Er
entläßt das Ministerium Villöle und umgiebt sich mit dem Ministerio»
Martignac, mit Männern, welche die Erhaltung der Charte wollen..
Im Anfänge des Jahres 1828 trat auch eine neue Kammer der Depu-
tirten ein und die Linke, welche seit mehreren Jahren aus der Reprä-
sentation fast verschwunden, zeigt sich in derselben wieder bedeutend.
Denn unter den Wahlmännern haben die Richtungen der Regierung
großes Bedenken erregt, sie glauben Männer von freier Gesin-
nung senden zu müssen. Einen Augenblick gewinnt auch die Regie-
rung Karls X. einen andern Charakter, es erfolgt sogar eine Erklä-
rung gegen die Jesuiten. Aber es ist ein kurzer und täuschender
Schein. Das Ministerium Martignac wird entlassen und das Mini-
sterium Polignac gebildet 8. August 1829. Weil es aus Männern der *829 *
autokratischen und besonders der jesuitischen Gesinnung besteht, gerät!)
Frankreich darüber in die größte Bewegung. Man hält sich überzeugt,
Karl X. müsse irgend einen Plan haben, es solle mit irgend einem
Gedanken nächstens hervorgetreten werden. Und vermuthlich war dem
auch so; aber der Schlag war weder nah, noch mag die Weise dessel-
den schon bestimmt gewesen sein. In dieser Spannung wird die Kam-
mer der Deputirten eröffnet und von derselben dem König eine Ein-
gabe gemacht, für welche zweihundertundeinzwanzig Stimmen gegen
einhundertundachtzig gewesen sind. Das Ministerium, sagt diese Ein-
gabe, habe das Vertrauen des Landes nicht, die Charte sei heilig und
unantastbar. Es war eine Protestation gegen Alles, was etwa ge-
schehen möchte. Sofort 19. März 1830 suspendirte Karl X. die Kam- 1830
mer und nicht lange darauf 12. Mai ward sie aufgelöst, neue Wahlen
angeordnet. Irgend einen Plan muß Karl X. gehabt haben; das
jesuitische Ministerium Polignac, das Instrument irgend einer Unter-
nehmung, soll nicht fallen. Unterdessen wird ein Heer gegen Algier
gesendet, eine Beleidigung zu rächen, welche der Würde Frankreichs
widerfahren. Am 15. Juni landen die Franzosen in der Nähe der 1830
Stadt und schon am 5. Juli ist sie durch Capitulation in ihren Händen.
Tunis und Tripolis entsagen sogleich der Seeräuberei, die sich Europa
schimpflich von den elenden Barbaren bis jetzt hatte gefallen lassen.
Aber die Wahlen für die neue Kammer der Deputirten sind ungünstig
ausgefallen. Das Ministerium wird nur eine Minorität für sich haben,
von den Zweihundertundeinundzwanzig sind zweihundertundzwei aber-
mals erwählt worden. Die Deputirten sammeln sich schon in Paris,
den Tag der Eröffnung der Sitzungen erwartend. Da erschienen 0 183s
königliche Ordonnanzen 27. Juli. Die Kammer der Deputirten wird
aufgelöst noch ehe sie versammelt, der König giebt aus eigener Macht-
fülle ein neues Wahlgesetz, eine neue Kammer wird berufen, die
Druckschriften und die Journale werden unter eine strenge Censur ge-
setzt. Das Ganze siehet aus als sei es nur die Vorbereitung zu etwas
Größerem. Aber die Mittel und Kräfte, einem etwanigen Widerstande