1829 -
Elberfeld
: Büschler
- Autor: Kohlrausch, Friedrich
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 9
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
394 Vi. 3fr. Karl V. bis zum westphäl. Fried. 1520 —1648.
nachstellte und wenige unter ihnen besonders achtete, lernte den
Herzog früh kennen und das Große in seiner Natur schnell
aussindend, hielt er ibn vor Allen werth. Allein dieses fehlte
dem Herzog Moritz, wie es Karln selbst fehlte, daß die Richtung
des Geistes nicht eben so sehr in die Tiefe ging, als ihr Blick die
Verhältnisse der Welt klar und scharf überschaute. Die innere,
stille Frömmigkeit und Liebe des Gcmüthes, die heilige Ehrfurcht
vor der Wahrheit und dem Rechte, welche alles Irdische den
ewigen Ideen nachsctzt, und jenes nur zu beherrschen sucht, um
es nach diesen zu bilden, — diese erhabenste Größe der Seele
war nicht in Karl und Moritz. Der Verstand beherrschte das
Herz und Klugheit galt ihnen als das Gesetz des Lebens. Daher
haben sich wenige ihres vollen Vertrauens zu rühmen gehabt,
und fhre Verschlossenheit macht sehr viele ihrer Handlungen zu
einem Rathsel für die Geschichte. So ist es nicht mit dem Leben
der erhabensten Helden der Menschheit; ihr Leben liegt wie
ein großes, helles Gemäblde vor unfern Augen ausgebreitet.
An weitschauendem Verstände übersah Moritz seinen Vetter,
den Cburfürstcn, sehr weit; seinem Scharfblick entging es nicht,
daß dieser in dem Kampfe gegen die großartige Klugheit des Kai-
sers nicht bestehen werde, und nun faßte er den Gedanken, sich
selbst zum Haupte des sächsischen Hauses zu machen. Er mag
sich vor sich selbst damit entschuldigt haben; daß nur dieser Weg
übrig sey, dasselbe zu retten; aber seine Gerechtigkeit und Wahr-
heit kamen dabei auf barte Proben.
Zu dem schmalkaldischen Bunde gesellte er sich nicht ; er wollte
sich so lange au den Kaiser anschtießen, bis er sein Ziel erreicht
habe und es Zeit sey, seinen Weg auch von diesem unabhängig
zu gehen. Als der Bund rüstete rieth er davon ab, und als
man ihn zur Theilnahme aufforderte, verweigerte er sie und er-
klärte, daß er nur zum Schutze seiner Länder gerüstet seyn
werde. Ins Geheim war er aber schon mit dem Kaiser einver-
standen; wie eng, und auf welche Bedingungen, ist nicht erwie-
sen : leider aber ist wahrscheinlich, daß die Aussicht auf das Chur-
fürstenthum ihm schon als Lohn vorgehalten war. Welch innerer
Kampf mußte daher in seiner Seele seyn, als ihm der Churfürst
bei dem Auszuge gegen den Kaiser, sein Land selbst anvertraute,
um es ihm zu schützen und dereinst treu zurückzulicfern! — Aber
kein äußeres Zeichen that den inneren Kampf kund, — und die
Klugheit besiegte die Wahrheit; um sich nicht zu verrathen, nahm
er die Obhut des churfürstlichen Landes an.
Der Kaiser gab sich alle Mühe, den bevorstehenden Krieg
nicht als eigentlichen Religionskrieg gelten zu lassen. In einem
Schreiben an die oberdeutschen, protestantischen Städte, Straß-
burg, Nürnberg, Augsburg und Ulm, welches er noch von Re-
gensburg aus erließ, versicherte er theucr: „Daß sich die Rüstung
kaiserlicher Majestät keinesweges erhebe, um Religion und Frei-
heit zu unterdrücken, sondern nur um einige widerspenstige Für-