1829 -
Elberfeld
: Büschler
- Autor: Kohlrausch, Friedrich
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 9
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
606 Vil Ztr. Vom westph. Fried, bis jetzt. 1648 — 1829.
wlg Napoleon, zu seinem Theile gegeben. Es hatte nicht
das schlimmste Loos gezogen, denn Ludwig fühlte die Pflicht, für
sein neues Volk mehr zu leben, als für seines Bruders Willen.
Ein dritter aus des Kaisers Verwandschaft, sein Schwager
Joachim Mürat, ward an dem rechten Ufer des Rheines,
des Stromes, der so oft als natürliche Scheidewand zwischen
dem Deutschen und Französischen genannt war, aufgestellt, ein
bedenkliches Zeichen für die Zukunft; er erhielt die Herzogthümer
Cleve und Berg; ersteres hatte Preußen, letzteres Baiern für
Anspach, abgetreten.
Ale ran der Berthier endlich, der erste im Kriegsrathe
Napoleons, bekam das Fürsteutbum Neuschatel.
Zugleich mit diesen äußern Vorrüstungen wurde der Plan der
innern Gestaltung des großen Baues gleichfalls klarer dargelegt.
Französische Blatter mußten das System des Gleichgewichts, an
welchem Europa noch immer mit einigem Glauben gehangen
hatte, als ein sehr thörichtes ausschreicn, welches nur Eifersucht
und Kriege erzeugt habe. Ruhe sey nur dann zu hoffen, wenn
Einer den unbestrittenen Vorrang habe, und seinem Worte bei
den Streitigkeiten der Völker Folge geleistet werde. Es war die
Sprache der Römer, kurz vor der Zeit als sie die Weltherrschaft
geradezu an sich rissen; da nannten sie sich auch die Schieds-
richter der Welt, und ihre Gesandten zogen mit ihren Stäben
Kreise um die Könige, welche noch diesen Namen trugen, und
forderten auf der Stelle die Erklärung des Gehorsams. — Zu
einem einzigen Reiche schien ihm doch wohl Europa zu groß,
aber es sollte, unter dem Namen eines Föderativstaatcs, durch
eine Familienherrschaft umfaßt werden, und die Brüder
und Vettern und Angcheiratheten sollten unter Königs- und Für-
sten-Namen die Statthalter des großen Kaisers in Paris seyn.
Alexanders Welteroberung war zerfallen, weil er kein Herrscher-
geschlecht gestiftet hatte; Karls des Großen Reich und Geschlecht
zerging in Theile, weil er den Plan entworfen hatte, ein Fami-
lienreich zu stiften, ohne einen Mittelpunkt für die Familie, und
weil Ludwig der Fromme, dem Plaue gemäß, das Reich unter
seine Söhne vertheilt. Daher ersann Napoleon einen neuen Ent-
wurf. Alle Glieder des großen Herrschergeschlechts, so verordnete
er in dem kaiserlichen Familiengesetze, sollten im kaiserlichen Er-
ziebungshause in Paris erzogen werden, unter des Kaisers Augen,
nach seinen Grundsätzen; ohne seine Erlaubniß sollten sie sich
nicht verehelichen, nicht über dreißig Stunden von Paris entfer-
nen dürfen. Er wollte ihr gemeinschaftlicher Vater und Herr
seyn. So, hoffte er, wenn die ganze Jugendzeit durch ihn ge-
leitet sey, sollten sich sein Geist und seine Grundsätze auf Jahr-
hunderte in ihnen vererben, wie im römischen Senate die großen
Grundsätze der Staatskuust Jahrhunderte lang von einem Ge-
schlecht auf das andere forterbten. Aus Paris sollten die dort
erzogenen Prinzen den gleichen Sinn, mit der gleichen Sprache