1827 -
Erlangen
: Heyder
- Autor: Böttiger, Carl Wilhelm
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
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Tapferkeit und Vaterlandsliebe längst verschwunden war.
Die Staatspolitik war nichtswürdtg, und zuletzt ohne
leitende Maximen; die Tapferkeit der alten Zeit eine
vergessene Sache, (längst hatten die Legionssoldaten die
schweren Panzer abgeschnallt, um, so schien es, besser
laufen zu können'.). Deutsche Völker boten ihre ner-
vige Faust als Söldner an, um, als die Zeiten vollen-
det, den Stahl gegen die Beschützten selbst zu kehren.
Ein entartetes, entnervtes Geschlecht, das sich selbst
verläßt, muß untergehen; kein Gott kann und will es
halten. Res in hoc scelus devoluta erat, ut nisi
qui malus fuerit, salvus esse non posset sagt der
edle Salvianus von Marseille. — Auch das wissen-
schaftliche Leben der Römer war erstorben, kaum daß seit
Diokletian noch ein Claudian, Ausonius, die Scriptores
der Kaisergeschichte, ein Ammianus Marcellinus, Eutro-
ptus und die Grammatiker Festus, Donatus und Priscian
sich nennen lassen. Am meisten wurde noch das Recht aus-
gebildet, wenn es auch praktisch fast verschwunden war.
Aber an die Stelle des verlornen Geschlechts der
Römer trat ein kräftiges Kerngeschlecht der Deutschen,
bestimmt, den kommenden Jahrhunderten Ruhm, und
den kommenden Staaten Namen zu geben. Weil aber
mit ihrer Entwicklung zu Staaten, die noch heute dau-
ern, eine neue Zeit beginnt, weil der Cyklus der
alten Welt mit der letzten großen Revolution, mit
Roms Fall abgeschlossen erscheint, da was darüber hin-
aus ist, neuer Art und Natur ist: schließt damit die
alte Geschichte; ein den Zahlen nach freilich unverhält-
Nißmäßig großer Zeitraum von ungefähr 4000 Zähren;
aber auch wichtig wegen der großen Entwicklung des
menschlichen Geschlechts auf einzelnen Punkten. Haben
zwar die letzten Revolutionen scheinbar alles wieder ver-
nichtet, so sind doch aus den beiden Haupterdtheilen der
alten Welt zwei unschätzbare Güter geblieben, die,
nicht Formen und Aeußerliches, sondern hohe Werke des
Geistes, nicht mit vernichtet werden konnten: aus Asien
Jesus herrliche Religion, und aus Europa die großen
und classischen Werke der Griechen und Römer.