1844 -
Belle-Vue bei Constanz
: Verl.- und Sortimentsbuchh.
- Autor: Bumüller, Johannes
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gymnasium
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Reichsrathe; da konnte das „Nein" (liberum veto) eines einzigen Edelmannes
jeden Beschluß ungültig machen; auch ging es oft stürmisch her und in Deutsch-
land wurde es sprüchwörtlich, zu sagen: es ist wie auf dem polnischen Reichs-
tage, d. h. man schreit, tobt, schlägt u. s. w. Zu diesen Nebeln kam noch
ein unseliger Kampf der Katholiken mit den Resormirten, welche in Polen
Dissidenten genannt wurden und gleiche Rechte mit den Katholiken ansprachen.
Als 1763 Augustin, von Sachsen starb, gewann die Kaiserin Katharina
durch Gold eine Partei, welche den Stanislaus Poniatowski, einen polnischen
Fürsten, zum Könige wählte. Dieser war ihr blind ergeben und diente als
Werkzeug ihrer Pläne. Gegen diesen Knecht auf dem Throne bildeten edle Po-
len , welche das kommende Verderben ahnten, einen Bund, den sie Konföde-
ration nannten. Ihnen gegenüber stellten sich die Dissidenten, und Katharina
schickte, wie sie sagte, zum Schutze derselben ein Heer nach Polen, welches
gegen die Konfüderirten mit unmenschlicher Grausamkeit wüthete. Kaiser Jo-
seph in Wien sah die Vergrößerung Rußlands mit Eifersucht und drohte sogar
mit Krieg, allein Friedrich d. Gr. brachte eine Vereinigung zu Stande. Die
drei Mächte verständigten sich, welches wohlgelegene Stück jede an sich reißen
dürfe, und sie verpflichteten sich auch zur gemeinschaftlichen Vertheidignng des
Raubes. So wurden 3000 szmcilen von Polen abgerissen und vertheilt, und
der Reichstag mußte die Abtretung unterzeichnen. Maria Theresia lebte noch
und eiferte sehr gegen diesen Gewaltstreich; aber das Alter hatte ihre Willens-
stärke gebrochen und sie mußte es geschehen lassen. Sie schrieb an den Minister
Kauniz: als ich von Feinden bedrängt war und nicht wußte, wo ich mich hin-
wenden sollte, da steifte ich mich auf mein gutes Recht und vertraute auf Gott."
Sie nannte die Theilung eine unchristliche That, die ihnen Schande bringen
werde vor allen Menschen; sie selbst getraue sich nicht mehr, sich irgendwo
sehen zu lassen. Ungeschminkt nannte sie die Theilung „gegen alle gesunde Ver-
nunft," fügte aber klagend bei, sie sei nicht mehr en vi§ueur und so willigte sie
seufzend ein, „in Angst, daß Gott diese Ungerechtigkeit schwer strafen werde."