1848 -
Leipzig
: Brandstetter
- Autor: Neudecker, Chr. Gotth., Schröer, Tobias Gottfried
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Privatunterricht, Töchterschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Mädchen
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einer damals noch sehr großen und prächtigen Stadt, welche in den Händen
der Türken war. Die Belagerung dieser Stadt dauerte acht Monate;
Tausende und abermal Tausende von Christen fanden während derselben
ihr Grab, Hungersnoth und Verzweiflung wüthete in dem Lager, die Un-
einigkeit der Anführer vermehrte das Uebel und nur der feste Wille und
die Uneigennützigkeit des edlen Herzoges Gottfried von Bouillon hielt noch
das ganze Heer zusammen. Antiochia wurde mit Sturm genommen und
die unermeßliche Beute gab den Kreuzsoldaten frischen Muth; die Stadt
selbst mit dem umliegenden Gebiete behielt Herzog Bohemund als Eigen-
thum. Endlich (im I. >099) kamen die Kreuzfahrer auf eine Höhe, von
der aus ste die Stadt Jerusalem vor sich liegen sahen. Die Freude des
Kriegsvolkes war unbeschreiblich; nur mit Mühe konnte es zurückgehalten
werden, in das Thal hinabzustürzen und die feste Stadt sogleich zu beken-
nen. Die Anführer sahen recht gut ein, daß sie nicht im ersten Anlaufe
genommen werden könne. Sie bezogen ein Lager, um die Stadt wo mög-
lich von allen Seiten einzuschließen und ließen Belagerungsmaschinen, be-
sonders hölzerne Thürme, die man auf Walzen bis dicht an die Stadt
bringen konnte und von denen man auf die Mauern und Wälle selbst ge-
langte, errichten. Leider aber fehlte es an Holz, welches man aus einem
viele Meilen weit entlegenen Walde holen mußte. Außerdem war der
Wassermangel in der ganzen Gegend während der brennendsten Hitze des
Sommers höchst drückend für die Belagerer, denn die Türken hatten die
meisten Quellen und Brunnen verschüttet, wo aber noch Wasser war,
lauerten die Feinde in Gebüschen und Höhen und jeder Trunk Wassers
mußte mit Blut erkauft werden. Aber auch die Christen selbst wütheten
gegen einander, wenn sie irgendwo Wasser fanden, weil jeder zuerst trinken
wollte, so daß gewöhnlich das Wasser, ehe es genossen wurde, sich mit
Blut färbte. Bald trat auch Mangel an Brod und anderer Nahrung
ein; viele Kreuzfahrer verließen daher das Lager und eilten in die benach-
barte Seestadt Joppe, wo sie sich einschifften und in ihr Vaterland zurück-
fuhren. Zum Glücke kamen, als eben die Verzweiflung aufs Höchste ge-
stiegen war, genuesische Schiffe im Hafen von Joppe an, welche Lebens-
rnittel in Menge mitbrachten und in's Lager der Belagerer auf Kameelen
führten. Indessen waren auch die hölzernen Thürme nebst vielen Stein-
wurfmaschinen und Mauerbrechern fertig, und Herzog Gottfried gab nun
den Befehl zum Sturme. Mit außerordentlicher Tapferkeit und Kühnheit
vertheidigten sich die Türken; sie warfen Feuer und Steine auf die Ma-
schinen, und der erste Tag verging, ohne daß mehr geschah, als daß die
äußerste Mauer eingestürzt wurde. Am folgenden Tage erneuerte Herzog
Gottfried den Angriff; überall war er kämpfend, ermunternd und helfend
voran, doch ohne wesentliche Vortheile zu erlangen. Da erschien auf dem
Oelberge ein Ritter, welcher seinen blitzenden Schild schwenkte und so das
Zeichen gab, den Kampf fortzusetzen. Herzog Gottfried trat wieder an die