1848 -
Leipzig
: Brandstetter
- Autor: Neudecker, Chr. Gotth., Schröer, Tobias Gottfried
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Privatunterricht, Töchterschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Mädchen
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er vollbracht hatte, denn Ulrich Cilli's Haß vererbte sich auf die Söhne
des verstorbenen Helden, La dis lall s und Matthias. Als Ulrich von
Ladislaus in Folge eines Wortwechsels, der sich zum Zweikampfe steigerte,
in Belgrad ermordet wurde, ließ der junge König Ladislaus V. den Mörder
in Ofen enthaupten, den jüngeren Bruder Matthias aber, einen Knaben
von 14 Jahren, gefangen nach Prag abführen. Ein Jahr darnach starb
aber König Ladislaus, als er eben in Prag seine Vermählung mit einer
französischen Prinzessin feiern wollte; die zu Ofen versammelten Stände
des Königreiches Ungarn wählten darauf den jungen Matthias zum Kö-
nige von Ungarn, — aus Furcht vor dem Statthalter von Siebenbürgen,
Michael Silagyi, der, ein Oheim der jungen Corvine, mit einem großen
Heere vor die Hauptstadt gekommen war, um den Tod seines Neffen zu
rächen. Matthias, ein großherziger und eben so tapferer als staatskluger
Fürst, zeigte schon in früher Jugend, was er werden sollte. Er zwang den
Kaiser Friedrich Iii. mit gewaffneter Hand, die Krone auszuliefern, schlug
die Polen, deren König Casiniir Ansprüche auf die Krone machte, aus
dem Felde, entriß den Osmanen Bosnien, und erhob überhaupt durch das
geistige Uebergewicht, welches er über alle seine Vasallen hatte, das könig-
liche Ansehen und die Macht Ungarns. Er befleckte jedoch seinen Charak-
ter durch den Krieg, den er gegen seinen Schwiegervater und Wohlthäter,
den König Georg Podiebrad von Böhmen, führte. Auch scheint der
letzte Krieg gegen Kaiser Friedrich Iii., in welchem Matthias Wien und
Neustadt eroberte, dem Reiche weniger genützt zu haben, als er gekostet
hatte, denn die Folge zeigte, daß es viel vortheilhafter gewesen wäre, wenn
Matthias mit Deutschland und Böhmen Frieden gehalten, die Kräfte der Chri-
sten vereint, diese gegen die Osmannen geführt und die Grenzen des Reiches
gegen Süden hin erweitert hätte. Groß waren des Matthias (Corvinus)
Verdienste auch um die Wissenschaften, die er ungemein liebte und beför-
derte. Er legte in Ofen eine Bibliothek an, für die er die kostbarsten
Handschriften sammelte, und zog Gelehrte aus Italien an seinen Hof, an
welchem Kunstliebe und feine Sitte mit Pracht und Aufwand vereinigt
herrschten. Der große König, dessen Andenken noch immer im Munde
aller Landsasscn von Ungarn lebt, starb im I. 1490 zu Wien. In Ungarn
regierte nach ihm der träge Wladislaw Ii., ein Sohn des Polenköniges
Casimir, der seit Georg Podiebrad's Tode König von Böhmen war. Unter
der 24jährigen Regierung dieses schläferigen Fürsten gewannen die Großen
des Reiches die Oberhand wieder so sehr, daß weder Gesetze noch Verfas-
sung Geltung hatten, die auswärtigen Eroberungen verloren gingen und
die unmenschlich bedrückten Bauern einen furchtbaren Aufstand wagten,
der zwar durch den mächtigen Woiwoden von Siebenbürgen, Johann Zä-
polya, gedämpft wurde, aber auch Spuren der Verwüstung zurückließ
und das Volk so schwächte, daß Ungarn, die Schutzmauer Europa's, unter
die Osmanen fallen mußte.