1848 -
Leipzig
: Brandstetter
- Autor: Neudecker, Chr. Gotth., Schröer, Tobias Gottfried
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Privatunterricht, Töchterschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Mädchen
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zerschlugen. Er wollte auf die spanische Krone Verzicht leisten, man be-
gnügte sich jedoch damit nicht und forderte sogar von ihm, seinen Enkel zu
entthronen. Da zog er es doch vor, noch einmal die Waffen zu ergreifen,
ohngeachtet das Elend seines Volkes, das die Auflagen nicht mehr erschwin-
gen konnte, auf's Höchste gestiegen war. „Lieber will ich", sprach er, „zu
Grunde gehen, als das ich wider meinen Enkel die Waffen führe."
Der Herzog von Ven d ome, ein würdiger Enkel Heinrich's Iv.,
stellte den Ruhm der französischen Waffen wieder her, Karl von Oest-
reich mußte Madrid verlassen, sich auf Catalonien beschränken und allerlei
Umstände gestalteten die Dinge allmälig so, daß sich das große Bündniß
der Feinde Ludwig's trennte. Im I. 1711 starb plötzlich Leopold's
Nachfolger, Kaiser Joseph I., ohne Erben; ihm folgte sein Bruder Karl Ii.
als deutscher Kaiser, König von Ungarn und Böhmen, Erzherzog von Oestreich
und aller dazu gehörigen Länder. Von nun an war es für das politische
Gleichgewicht von Europa nicht mehr wünschenswerth, daß Karl die spa-
nische Krone behielt. Der Krieg wurde also von den Verbündeten ohne
Nachdruck geführt, und eine Jntrigue am Londoner Hofe veranlaßte den
Frieden zwischen England und Frankreich. Der Herzog von Marlbo-
rough hatte sich nämlich durch seine Siege großes Ansehen in England
verschafft und war der Königin Anna unentbehrlich. Die Macht des
Gatten erweckte auch in der Herzogin von Marlborough das Gefühl der
Unentbehrlichkeit und verleitete sie zu übermüthigen Ansprüchen, ja sie be-
herrschte die gutmüthige Königin in einem solchen Grade, daß sie sich den
ganzen Hof zum Feinde machte. Sie war so anmaßend, daß sie selbst der
Königin, deren Freundschaft sie genoß, oft unhöflich begegnete. Einst
reichte eine Hofdame, die sie haßte, der Königin eine Schale Wasser; ge-
stissentlich stieß sie die Hofdame so an, daß das Kleid der Königin ganz über-
gossen wurde. Dieß veranlaßte die Königin, ihren gerechten Unwillen
gegen die Herzogin nicht länger zurückzuhalten; sie entfernte diese vom Hofe,
gab den zahlreichen Neidern Marlborough's, die sie bisher immer zu-
rückgewiesen hatte, Gehör und rief auch den Herzog von der Armee zurück.
Man sagt, daß der gefangene Marschall Tallard durch seine Umtriebe
in London viel dazu beigetragen habe, den brittischen Hof für seinen Her-
ren zu stimmen, so daß dieser Mann seinem Besieger in der Gefangen-
schaft reichlich vergalt, was er von demselben hatte erdulden müssen. Im
'I. 1713 wurde zu Utrecht erst zwischen England und Frankreich, sodann
mit den übrigen Verbündeten, und ein Jahr darauf auch mit dem Kaiser
und Reich zu Rasta dt Friede geschlossen, kraft dessen Philipp V. Spa-
nien bekam, Oestreich die Spanisch-Niederlande (Belgien), Mailand,
Neapel und Sardinien, Savoyen Sicilien, das es aber später mit Sar-
dinien vertauschte. Alle übrigen Staaten wurden auch bei dem Frieden be-
theiligt; große Erwerbnisse machte Großbritannien in Nordamerika; es behielt
auch die im Laufe des Krieges eroberte Festung Gibraltar in Spanien.