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1. Neuere Geschichte - S. 288

1848 - Leipzig : Brandstetter
288 machte auch zugleich Anstalt zu ihrer bürgerlichen Verbesserung und Ver- edlung. Dasselbe that er auch zu Gunsten der in ganz Europa gleich vogelfreien Räubern verfolgten und aus der menschlichen Gesellschaft gestoßenen Zigeuner, welche in großer Zahl im Königreiche Ungarn wohnten. Er ließ sie unter dem Namen der Neuungarn entweder den Dorfgemein- den einverleiben, oder unter eigene Richter auf dieselbe Art wie die übrigen Bauern stellen, und durch sorgfältigen Unterricht der Kinder zu thätigen und sittlichen Landleulen und Handwerkern umbilden. Man kann sich denken, daß die vielen Nonnen, die um ihr bequemes und müßiges Leben gebracht und nun außerhalb der Klöster zu Arbeit und beschwerlichen Berufspflichten genöthigt wurden, solche Reformen mit Verwünschungen des Monarchen aufnahmen, bei dem abergläubischen Volke aber bald die Furcht, die Religion und Kirche zu verlieren, bald das Mit- leid rege machten. Daher konnte auch manche seiner Maßregeln nur mit Widerstand durchgesetzt werden. Mit Entsetzen aber vernahm der römische Hof diese Reformen, und als der Papst Pius Vi. vergebens Vorstellungen nach Wien gesendet hatte, entschloß er sich endlich, selbst nach Wien zu gehen. So sah die Welt, — zum ersten Male seit Karl dem Großen — den römischen Bischof wieder zum deutschen Kaiser reisen, nachdem in früheren Zeiten die Kaiser demüthig um Segen oder um Vergebung stehend zu ihm gepilgert waren. Der Kaiser empfing ihn mit allen Ehren, ohne jedoch irgend ein demüthigendes Ceremoniel zu beobachten; er empfing ihn — als Kaiser, und verhinderte auf jede Weise, daß Pius Zusammenkünfte mit Clerikern halten konnte. Er ließ sogar die Nebenthüren vermauern, die zu dem Zimmer des Papstes führten, damit Niemand heimlich zu ihm gelange. Pius Vi. erhielt vom Kaiser Nichts, was er wünschte, und die östreichische Kirche blieb unabhängig von Nom, wie der Kaiser es haben wollte. Auf das Duldungsgesetz aber schien doch die Anwesenheit des Papstes nachtheilig eingewirkt zu haben; denn bald hernach wurde es aus eine Weise beschränkt, die bis auf den heutigen Tag die protestantische Kirche schwer bedrückt. Der edle Kaiser versicherte nämlich, er wolle durch die Begünstigung der Protestanten auf keinen Fall die katholische Kirche bevortheilen. Dieß war genug, um daraus die Folgerung abzuleiten, daß durch die Entstehung vieler neuen akatholischen Gemeinden ganze katholische Pfarreien eingehen, viele Geistliche und Bischöfe aber in ihren Einkünften stark geschmälert würden. Da kam ein Zusatz zu dem Toleranzgesetze, daß die protestantischen Pfarrkinder außer der Erhaltung ihres Seelsorgers (dem der Name eines Pfarrers versagt wurde) dem katholischen Pfarrer des Ortes alle Kirchengebühren wie früher bezahlen müßten. Zu diesen Beschränkungen, die nach der Verschiedenheit der betreffenden geistlichen Behörde oft milder, oft härter waren, kamen mit der Zeit noch manche andere hinzu, und da die Neigung der östreichischen Völker zum Protestan- tismus so stark war, daß ganze Dörfer und Gemeinden, die bisher aus
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