1848 -
Leipzig
: Brandstetter
- Autor: Neudecker, Chr. Gotth., Schröer, Tobias Gottfried
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Privatunterricht, Töchterschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Mädchen
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mit Theaterstücken und Romanen ganz Deutschland überschwemmte und
mit seinen gemeinen Gaben überall willkommen war. Schade, daß daruu-
ter manche talentvolle Männer, wie z. B. Kotzebue, Schulze, Lafon-
taine u. A. waren, die aus Begierde, Allen zu gefallen, ihren Ruhm bei
den Besseren der Nachwelt um solchen Preis verscherzten. Edle Ausnahme
machen jedoch viele Romanendichter, vor allen I. P. Richter, Heinse,
M u sa'us, Ti eck u. A. Recht zur Zeit unternahmen es die Gebrüder
Friedrich und Wilhelm Schlegel durch eine scharfe Beurtheilung
poetischer Werke den guten Geschmack wieder zu retten, ja durch die Phi-
losophie und Alterthumskunde eine Kritik zu begründen, vor welcher alle die
Schriftsteller, welche von Philosophie und Alterthumskunde wenig Kenntnis
hatten, nicht bestehen konnten. Schon in der Mitte des 18. Jahrhunderts
war durch Immanuel Kant, Professor der Philosophie in Königsberg,
ein strenges Denken angeregt worden, das bald in alle Wissenschaften ein-
griff, und Fichte, Professor in Jena (später in Berlin), wandte dasselbe
mehr noch auf das praktische Leben, auf Sitten und Volksthum an. Da-
bei wurde die Alterthumskunde seit Lessing, Heyne und Winkelmann
immer mehr eine Quelle des reinsten Sinnes für Humanität, Kunst und
Gelehrsamkeit, und wir müßten viele Namen nennen, wenn wir das reiche
Blüthenleben der griechischen und römischen Sprachkunde in Deutschland
unseren Leserinnen schildern wollten. Die deutschen Akademien, ja die
meisten Gelehrtenschulen waren Hesperidengärten, aus denen bis auf den
heutigen Tag unzählige Mannet, reich beladen mit goldenen Früchten, in's
Leben traten. Die beiden Schlegel waren solche Männer. Mit gerech-
tem Grimme fuhren sie über das Volk im Pfuhle her, das seinen Meister,
den großen Goethe, über die Anderen vergessen konnte. Schade, daß sie
in ihrem Eifer zu weit gingen und auch Schillern, weil er seiner Ju-
gendwerke wegen von der Menge gepriesen wurde, mit den Uebrigen her-
abzusetzen strebten! Dieß brachte ihm aber keinen Nachtheil, denn er und
Goethe lebten in vertrautester Freundschaft, unbekümmert um den Streit,
der ihretwegen geführt wurde, und das richtige Urtheil, welches Goethe
und Schiller neben einander jeden in seiner Weise bestehen läßt, hat in
neuester Zeit doch gesiegt. Schiller, der edle Dichter, beschloß schon im
I. 1805 sein bewegtes Leben; die Vorsehung scheint seinem liebenden Her-
zen den Tod als eine Wohlthat erwiesen zu haben, damit er das Unglück seines
Vaterlandes nicht erlebte. Während die französischen Heere in Deutschland
einsielen und gewaltsam alles freie Aufstreben niederschlugen, verstummten
auch die Sänger; geduldet waren nur jene mittelmäßigen Geister, die auf
Brettern und in Lesecabinetten ihre undeutsche, entnervende und unerquick-
liche Kost mittheilten. Hier und da wagten es aber doch kühne Männer,
wie Fichte, Arndt, Jahn u. A., mitten unter Franzosen die deutsche
Freiheit zu erwähnen. Als dann im I. 1813 die Deutschen sich ermann-
ten, sprachen und sangen Mehre, und in allen Gauen tönte die vaterlän-
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