1827 -
Breslau
: Max
- Autor: Nösselt, Friedrich
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Privatunterricht, Töchterschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Mädchen
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den Tod aller vierzehn Kinder der Niobe. Apollo tödtete mit sei-
nen Geschossen die Söhne, und Diana die Töchter. Ein treff-
licher römischer Dichter, Ovid, der zu der Zeit von Christi Ge-
burt lebte, hat uns in rührenden Versen die schöne Mythe er-
zählt, und schildert mit treffenden Zügen die Angst der unglück-
lichen Mutter, wie sie ein Kind nach dem andern hinsr'nken sieht,
und vergeblich uw die Erhaltung wenigstens der letzten sieht.
Zugleich verlor die Arme auch ihren Mann Amphion durch
Apollo's Pfeile. Gatten- und kinderlos begab sie sich zu ihrem
Vater nach Lydien in Klein-Asien, und zerfloß Tag und Nacht
in unversiegbaren Thranen. Da erbarmte sich ihrer Jupiter,
und verwandelte sie in einen kalten Marmor, aus dem aber
auch noch eine Quelle rann.
Nach Amphion regierte in Theben Lajos, auf dessen Ge-
schlecht ein rechter Fluch ruhte. Er nahm sich ein thebanischcs
Mädchen, Jo käste, zur Frau. Da verkündigte ein Orakcl-
spruch die schrecklichen Worte: ,,das Kind, welches Jokaste be-
kommen wird, wird seinen eignen Vater tödten, und seine Mut-
ter her'rathen." Lajos schauderte. „Nein," rief er, „das soll
es gewiß nicht;" — und kaum war das Kind geboren, so be-
fahl er auch schon, es in eine Wildniß zu tragen, und dort zu
tödten. Der dazu bestimmte Sclave aber wollte nicht selbst
Hand an das unschuldige Kind legen, und hing es mit dem
einen Beine an einen Baum. Das arme Würmchen schrie aus
allen Kräften, bis ein Hirt des Königs von Korinth, Poly-
bos, es hörte, hinzueilte, und es losband. Er trug es zu sei-
nem Herrn nach Korinth; die Königin Periböa nahm es als
Pflegekind an, und nannte cs, weil es einen ganz geschwolle-
nen Fuß hatte, Oedipus (—vv) oder Dickfuß. Der Knabe
wuchs heran, wurde schön und brav, mußte sich aber oft von
seinen Gespielen vorwerfen lassen, er sey ja doch nur ein Fin-
delkind. Er fragte darüber endlich einmal seine vermeintliche
Mutter, die ihm auch keine rechte Auskunft geben konnte, und
ihm rieth, das Orakel in Delphi zu befragen. Das gab ihm
zur Antwort: „fliehe dein Vaterland, damit du nicht deinen
Vater erschlägst und deine Mutter heirathest." — „Bewahre
der Himmel!" rief Oedipus, „das will ich nicht; keinen Fuß
will ich wieder nach Korinth setzen." — Er beschloß, nach