1827 -
Breslau
: Max
- Autor: Nösselt, Friedrich
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Privatunterricht, Töchterschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Mädchen
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an dem man weder Anfang noch Ende sah, und hing Alles in
einem Tempel auf. Dies war der bekannte gordische Knoten,
den Keiner bisher hatte lösen können. — Wenn Alexander auch
vielleicht verständig genug war, über den Aberglauben zu
lachen, so durste er doch, um des Volks und der Soldaten wil-
len, den Knoten nicht ungelöst zurücklassen. Er besann sich
schnell, und zerhieb mit dem Schwerte die verschlungenen Faden.
Endlich kam er nach Cilicien, der hintersten und südlichsten
Provinz Klein-Asiens, und nahm sein Quartier in Tarsus,
der Vaterstadt des Apostels Paulus. Ein klarer, frischer Fluß,
der Cydnus, floß hier vorbei. Die Hitze des Tages machte ihm
Lust, sich in dem Flusse zu baden; aber kaum war er im Was-
ser, als ihn ein heftiger Fieberfrost ergriff, und man ihn halb-
tobt heraustragen mußte. Sein Zustand war äußerst bedenklich,
die Aerzte schüttelten die Köpfe, und zum Uebermaß des Un-
glücks hörte man, daß Darius selbst mit dem Hauptheer schon
ganz in der Nähe stände, und in ein paar Tagen da seyn könnte.
Nun war guter Nath theuer. Da entschloß sich sein treuer
Arzt Philippus ein gefährliches, aber entscheidendes Mittel an-
zuwcndcn, welches entweder schnell zum Tode oder zur Besse-
rung führen mußte. Eben bereitete der Arzt den wichtigen
Trank; da kam keuchend ein Bote an, vom alten Parmenio,
einem Generale Alexanders, den dieser in Klein-Asien zurückge-
lassen hatte, geschickt. „Nimm dich ja" — so schrieb er —
„vor dem Philippus in Acht; er ist von Darius bestochen wor-
den, dich zu vergiften." Alexander las, und überlegte. Schon
trat Philipp ins Zimmer, die Schale in der Hand, aber mit
so ruhiger, unbefangener Miene, daß der König, der ihn scharf
ansah, gleich alles Mißtrauen fahren ließ, und unbesorgt die
Schale an den Mund setzte, wahrend er dem Arzte den Brief
überreichte. Als dieser ihn gelesen hatte, wurde er zornig über
die unwürdige Verleumdung, und wollte sich rechtfertigen. „Sey
ruhig, Philipp," antwortete ihm der König, „ich glaube, daß du
unschuldig bist; der Erfolg wird es ja zeigen." — Er zeigte
es auch wirklich; nach drei Tagen war Alexander so weit wieder
hergestellt, daß er sich den Soldaten wieder zeigen konnte, die
vor Entzücken ganz außer sich waren, und gar nicht wußten,
wie sie dem verständigen Arzte genug danken sollten.