Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Theil 3 - S. 100

1827 - Breslau : Max
100 vertheilt. „Gern" — sprach sie — „hatte ich Euch dies Kleid, das reichste von allen, gelassen; aber Maria Stuart muß auf ihrem letzten Gange anständig erscheinen." Darauf bedeckte sie sich mit einem weißen Schleier, der bis auf die Füße herabwallte. Um 8 Uhr Morgens (7. Febr. 1587) trat der Sheriff der Grafschaft in ihr Zimmer, und zeigte ihr an, daß die Stunde da sey. „Ich bin bereit," antwortete Maria. Noch einmal sagte sie ihren Dienern Lebewohl, und ging, gestützt auf zwei Bedienten ihres Hauses, mit bescheidenem, aber majestätischem Anstande, durch die an ihr Zimmer stoßende Halle. Hier fand sie die beiden Grafen, ihren Hüter und andere Staatsperfonen. Auch ihr Haushofmeister Melvil stand hier. Er warf sich ihr zu Füßen, rang die Hände, und rief, von unnennbarem Schmerze ergriffen: „O wie unglücklich bin ich! Wer war je vor mir Ue- berbringer so betrübter Botschaft, als ich jetzt überbringen muff, wenn ich in mein Vaterland zurückkehren und erzählen werde, daß ich meine gnädige Königin und Gebieterin in England ent- haupten sah?" Die Thränen erstickten seine fernere Rede. „Höre auf, getreuer Diener," antwortete Maria tief gerührt, „höre auf zu weinen. Freue dich vielmehr, daß nun Mariens Leiden sich enden. Sage meinen Unterthanen, daß ich, ohne in meiner Religion zu wanken, und unverändert in meiner Erge- benheit für Frankreich und Schottland sterbe. Der Himmel ver- zeihe denen, die meinen Tod verlangt, die nach meinem Blute gedürstet haben." „Gott! — rief sie aus — „du weißt, wie sehr ich das gute Vernehmen zwischen Schottland und England gewünscht, wie sehr ich gewünscht habe, die Quellen so vieler Zwistigkeiten zu verstopfen. Melvil" — fuhr sie ruhiger fort —- „empfiehl mich meinem Sohne; sage ihm, daß ich, ungeachtet aller meiner Leiden, nichts that, was dem Staate und dem Kö- nigreiche Schottland Nachtheil bringen könnte." Bei diesen Wor- ten rollten ihr Thränen aus den Augen; sie beugte sich über ihn und küßte ihn. „So lebe denn wohl, guter Melvil" — setzte sie hinzu — „lebe wohl! Noch ein Mal, lebe wohl, guter Melvil! Bete für deine Königin!" Sie bat darauf die Grafen, die die Aufsicht bei der Hin- richtung hatten, dem Melvil, ihrem Arzte, ihrem Wundarzte und ihrem Apotheker zu erlauben, bei ihrem Tode gegenwärtig
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer