1834 -
Berlin
: Enslin
- Autor: Schubart, Friedrich
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere weibliche Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Mädchen
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der Göttin Vesta zu werden, damit sie unvermahlt und
ohne Kinder bliebe, und also auch sein Bruder keine
Erben hätte, welche ihm das Königreich streitig machen
könnten. Aber Rhea Sylvia, ob sie gleich Priesterin
war, vermahlte sich doch ohne sein Wissen, und wurde
Mutter von Zwillingsknaben, welche nachher den Namen
Romulus und Remus erhielten. Amulius aber entdeckte
diese Vermählung und die Geburt dieser Kinder, und
handelte sehr grausam gegen dieselben. Er befahl, daß
die beiden neugeborenen Knaben ausgesetzt würden, da-
mit sie sogleich umkämen. Das geschah denn auch, und
in einem Körbchen wurden sie beide fortgetragen, und
der Diener, welcher sie forttrug, setzte sie neben den groß-
ßen Liberstrom hin, weil er glaubte, daß die Wellen
emporsteigen und das Körbchen mit den Kindern ver-
schlingen würden, daß sie ihren Tod in den Wellen fän-
den. Aber nicht nur der Fluß verschonte die armen
hülflosen Kinder, sondern wie sie nun jammernd und
heulend dalagen, da kam aus dem nahen Walde eine
Wölfin und hörte das Geheul der Kinder, und lief nä-
her heran, und sah sie. Und statt wie ein wildes Thier
gegen sie zu wüthen, und^ sie zu zerreißen, erwieß sie sich
freundlich gegen die Knäblein, und legte sich so neben
sie, daß sie an ihren Brüsten saugen, und ihren wüthen-
den Hunger stillen konnten. Und aufdiese Weise, indem
auch die Wölfin immer wieder zu ihnen zurückkehrte,
wurden die Kinder erhalten, bis ein Hirt mit seiner
Heerde vorbeitrieb, und sie fand. Der erbarmte sich
nicht weniger über sie; er nahm sie mit nach Hause, und
übergab sie seiner Frau, welche sie ernährte und groß
zog, daß sie in dem Hirtenhaüse und unter anderen Hir-
tenknaben fröhlich heranwuchsen. Als sie aber groß
waren, da erwieß es sich bald, daß sie nicht von hirt-
lichem Stande, sondern von königlichem geboren waren.
Sie hatten so große Neigung zu kriegerischen Thaten,
daß sie sich unter eine Räuberschaar mischten, und in
der Gegend mit herumstreiften. Da aber wurden sie
eingefangen, und an den königlichen Hof gebracht, zu
ihrem Großoheim, dem König Amulius. Wie nun die-
ser an der Gesichtsähnljchkeit sie wieder erkannte, und