1834 -
Berlin
: Enslin
- Autor: Schubart, Friedrich
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere weibliche Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Mädchen
ließ, wodurch sie sich einen großen Anhang im Reiche
bilden wollte. Als aber der Sohn herangewachsen
war, und durch seine Freunde daraus aufmerksam ge-
macht wurde, wie ihn seine Mutter niederzuhalten und
aller Gewalt zu berauben suche, so wurde er nun selbst
gegen die Gewalt der Mutter eifersüchtig, und indem
er jetzt mit kräftigem Willen gegen sie auftrat, zwang
er sie zuerst, in ein Kloster zu gehen. Aber neben ihrer
Herrschsucht und Grausamkeit besaß diese Frau auch
große Klugheit, welche sie nun zuerst anwandte, um nur
erst an den Hof und an die Seite ihres Sohnes zuräck-
zukommen. Sie wußte nun wieder selbst dazu beizutra-
gen, daß ihr Sohn durch seine eigenmächtigen Hand-
lungen bei seinen Unterthanen verhaßt wurde, und daß
eine Verschwörung entstand, durch welche sie wieder zu
ihrer Gewalt sollte erhoben werden. Da hielt es Con-
tantin Vi. sogar für nöthig, vor seiner Mutter zu' ent-
fliehen, um nach Asien zu gehen und dort Kriegstruppen
zu seiner Vertheidigung zu holen; aber Irene ließ ihm
nachsetzen und ihn in den kaiserlichen Pallast zurückho-
len, wo sie nun ihre ganze unmütterliche Grausamkeit
gar fürchterlich an den Tag legte. Sie ließ ihren Sohn
blenden, um ihn zur Herrschaft unfähig zu machen, und
da er an den Folgen der schmerzhaften Operation starb,
so bestieg sie auch selbst nach so fürchterlichen Verbrechen
den kaiserlichen Thron im Jahr 792 n. Ch. Geb. Un-
gestraft befaß sie nun wohl noch zehn Jahre den kaiser-
lichen Thron, das ganze Reich unterwarf sich ihrer klu-
gen Gewalt, und sie genoß, so viel sie ihr böses Gewis-
sen beschwichtigen konnte, ihre Hoheit, denn wenn sie
in Constantinopel ausfuhr, so saß sie auf einem golde-
nen Wagen, mit vier milchweißen Pferden bespannt,
und jedes derselben wurde von einem Patricier geführt,
wozu sie ihre Sklaven erhoben hatte. So trieb sie es
denn einige Zeit, bis sich ihre Hofleute, ob sie sie gleich
mit Gunst und Geld überhäuft hatte, doch gegen sie em-
pörten, und ihr eigener Schatzmeister Nicephorus, ein
Mann von geizigem und strengen Charakter, wurde statt
ihrer auf den Thron erhoben. Sie wurde ergriffen und
auf die Insel Lesbos verbannt, wo sie noch einige Zeit
in solcher Armuth lebte, daß sie sich ihren Lebensunter-
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