1849 -
Münster
: Coppenrath
- Autor: Welter, Theodor Bernhard
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gymnasium, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Römische Antike
- Inhalt: Zeit: Antike
- Geschlecht (WdK): Jungen
saß der Schreiber, beide gleich gekleidet, aber Alle wendeten sich
an den Schreiber. Da meinte Mucius, dieser müsse wohl der
König sein; und weil er sich durch Nachfragen nicht verrathen
durfte, so erstach er diesen statt des Königs. Ergriffen, ent-
waffnet sollte er bekennen, wer er wäre und was ihn zu dieser
That vermögt hätte. „Ein römischer Bürger bin ich, — war
die Antwort — Mucius ist mein Name. Als Feind wollte ich
den Feind tödten und scheue den eigenen Tod nicht; denn herz-
haft handeln und herzhaft leiden ist Römer Sitte5). Und wisse,
nicht ich allein, eine große Zahl Jünglinge hat sich wider dein
Leben verschworen; in jeder Stunde wird ein Mörder dich um-
lauern!" Über solche Tollkühnheit ward der König höchst ent-
rüstet. Er drohete, ihn lebendig zu verbrennen, wenn er ihm
nicht auf der Stelle die Verschwörung näher entdecke. „Sieh'
her und lerne, — rief Mucius trotzig — wie wenig denen das
Leben gilt, die hohen Ruhm vor Augen haben!" -- und streckte
seine rechte Hand in die lodernde Flamme des nahen Opferheer-
des. Ein Grausen ergiff Alle. Der König sprang gerührt von
seinem Sitze, riß ihn vom Feuer weg und schenkte ihm groß-
müthig Leben und Freiheit. Da sprach der listige Mucius, als
wollte er für diese Großmuth erkenntlich sein: „So wisse denn
nun, unser dreihundert haben sich verschworen, auf diese Art dir
beizukommen. Mein Loos war das erste. Die übrigen werden,
so wie es sie trifft, jeder zu seiner Zeit, sich einstellen!" —
'Von Hunger und Feinden bedrängt, mußte sich endlich Rom er-
geben und einen harten Frieden annehmen. Sie mußte die Waf-
fen abliefern und fast den dritten Theil ihrer Feldmark abtreten,
so daß nur noch zwanzig Tribus übrig blieben. Man huldigte
dem Sieger durch Übersenduug der Königlichen Insignien und
stellte zehn Jünglinge und eben so viele Jungfrauen als Geißel.
Unter diesen befand sich auch die kühne Clölia. Sie überlisteje
in einer Nacht die Wachen, schwamm, ihren übrigen Gefähr-
tinnen voran, durch die Tiber und brachte sie alle wohlbehalten
nach Rom zu ihren Eltern. Jedoch die Römer sandten die küh-
nen Mädchen sogleich zum Porsenna zurück. Dieser lobte und
bewunderte die Clölia und schenkte ihr die Freiheit, mit der Er-
5) Fortia agere et pati Romanum est. Liv.