1849 -
Münster
: Coppenrath
- Autor: Welter, Theodor Bernhard
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gymnasium, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Römische Antike
- Inhalt: Zeit: Antike
- Geschlecht (WdK): Jungen
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schlachtet; andere, denen das Leben geschenkt wurde, mußten jetzt
die niedrigsten Dienste verrichten. Mancher, der in Rom in
vollem Glanze gelebt und die ansehnlichsten Ämter verwaltet
hatte, ging jetzt als Hirt hinter den deutschen Heerden her.
Das härteste Loos aber traf die gefangenen Sachwalter. Einem
von diesen rissen sie in Wuth sogar die Zunge aus, unter dem
Zurufe: „Nun höre auf, zu zischen, Natter!"
Die Nachricht von dieser großen Niederlage verbreitete zu
Rom Furcht und Schrecken. Laut klagte der alte Kaiser in sei-
nem Palaste und rief ein Mal über das andere: „Varus, Va-
rus, gieb mir meine Legionen wieder!" Er gelobte seinem Ju-
piter große Feste, wenn er das Reich rette; denn allgemein
fürchtete man den Einbruch der deutschen Völker, wie in den
Zeiten der Cimbern und Teutonen. Schnell wurde ein neues
Heer ausgerüstet und unter dem Tiberius nach dem Rhein
geschickt. Zu seiner Verwunderung fand er aber hier Alles in
Ruhe; nur die Freiheit des Landes hatten die Deutschen ver-
theidigen wollen; und als dieses gelungen, waren sie wieder
heimgekehrt. Tiberius ging zwar über den Rhein und verwü-
stete die nächsten Gauen, kehrte aber eiligst zurück, als er von
dem Anzüge eines deutschen Heeres hörtet)
§. 74. Des Augustus Familie und Tod.
So glücklich Augustus während seiner langen Regierung
bis auf die Kriege mit den Deutschen war, so unglücklich war
er als Gatte und Vater. Seine dritte Gemahlin, die herrsch-
süchtige Li via, die er ihrem ersten Gatten, dem Tiberius Nero,
entführte, brachte nichts als Unheil in sein Haus, und mit Recht
kann man behaupten, daß der ruhmgekrönte Kaiser als Familien-
vater der unglücklichste Mann war, dem keine der Segnungen
zu Theil ward, die er durch seine Gesetze-über das Familien-
leben zu verbreiten suchte. Er hatte aus seiner ersten Ehe eine
Tochter Julia, die nacheinander mit dem Marcus Marcellus,
seiner Schwester Sohn, dann mit Agrippa, zuletzt mit seinem
2j Tiberius ließ seinem Bruder Drusuö aus dem Eichelsteine zu
Mainz (dessen Gründung dem Drusus zugeschrieben wird und wo er eine
Brücke bauen ließ) ein Denkmal setzen, das erst am Ende des siebenzehn-
ten Jahrhunderts von den Franzosen zerstört ward.