1840 -
Münster
: Coppenrath
- Autor: Welter, Theodor Bernhard
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Höhere Bürgerschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gymnasium, Höhere Bürgerschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Am 26. December wurde der König nebst seinen Sachwal-
tern vorgeladen. Ehe sie m dem Saale erscheinen konnten, muß-
ten sie eine Zeitlang im Vorzimmer warten; sie gingen in dem-
selben auf und ab. Ein Deputirter, der vorüberging, hörte Ma-
lesherbes in der Unterredung mit seinem erhabenen Schützlinge sich
der Titel: „Sire! Ew. Majestät!" bedienen und fragte finster:,, Was
macht Sie so verwegen, hier Worte auszusprechen, die der Con-
vent geachtet hat?" „Verachtung des Lebens!" antwortete der
ehrwürdige Greis. — Dann wurden sie in den Saal gelassen.
Malesherbes konnte vor Rührung nicht sprechen; da trat der feu-
rige Deseze auf und vertheidigte seinen König mit so bewunde-
rungswürdiger Kraft und Gewandtheit, daß, wäre nicht schon
langst der Tod des Königes von der Rotte der Jakobiner beschlos-
sen gewesen, jetzt seine'rettung hatte erfolgen müssen. Nachdem
Defeze geendigt hatte, trat Ludwig selbst auf und sprach mit vie-
ler Fassung einige eindringende Worte; dann wurde er in's Ge-
fangniß zurückgebracht. ,
Jetzt entstand wieder eine stürmische. Bewegung im Con-
vente. Das Mordgeschrei der Jakobiner tönte rings um den
Saal, an allen Thüren, an allen Fenstern; von der Gallerie her-
unter brüllte dumpf das Gesindel nach: „Tod! Tod!" und fun-
kelte Jeden mit drohenden Augen an, der es wagte, für die Ret-
tung des Königes zu sprechen. Ein Jakobiner, ein ehemaliger
Fleischer, verlangte sogar, den König in Stücke zu hauen und in
jedes Departement ein Stück zu versenden! Der Kampf der Par-
teien über die Art und Weise der Verurtheilung wahrte mehre
Tage und Nachte hindurch fort; das bestehende Gesetz, nach wel-
chem ein Angeklagter nur durch zwei Drittel der Stimmen ver-
urtheilt werden konnte, wurde aufgehoben und bloße Simmen-
mehrheit festgesetzt. Nach diesen und ähnlichen Handlungen der
empörendsten Ungerechtigkeit wurde der König endlich am 17. Ja-
nuar 1793 durch eine Mehrzahl von 5 Stimmen (von 366 ge-
gen 361) zum Tode verurtheilt. Malesherbes überbrachte wei-
nend ihm zuerst die Trauerbotschaft. Ludwig blieb gefaßt und
antwortete ruhig: „Nun gut, so bin ich doch nicht langer in