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1. Geschichte der neueren und neuesten Zeit - S. 323

1840 - Münster : Coppenrath
323 Kanonen, in rath- und thatloser Flucht durch- und über einander auf die Brücke. Jeder wollte der Erste sein; hier galt kein Befehl, kein Rang mehr, Jeder kämpfte um sein Leben. Viele wurden in dem Gedränge erdrückt, viele von den Rädern der Kanonen und Wagen zerquetscht, viele von der Brücke hinunter in den Strom gestürzt. In diese wilde Mcnschenfluth hinein donnerten die Kanonen der Russen und richteten eine entsetzliche Verwüstung an. Zuletzt brach die Brücke ein; Tausende fanden ihren Tod in den Wellen, und Alle, welche noch am jenseitigen Ufer waren, wurden gefangen. Über 30,000 Mann verloren die Franzosen bei diesem Übergange am 27. November. Napoleon selbst, einsehend die Hoffnungslosigkeit seiner Lage, verließ am 5. December das Heer. Wie Lerxes einst, der Führer von Millionen, aus Griechenland fliehend, in einem Kahne in feil* Asien wiederanlagte, so durchjagte Napoleon in einem elenden Schlitten, den Trümmern seines Heeres voraus, die öden Schnee- und Eisfelder Rußlands, nach Wilna, und von da über War- schau, Dresden und Mainz nach Paris, um schnell die Bildung eines neuen Heeres zu veranstalten. Den Oberbefehl über die zurückgebliebenen Trümmer überließ ec dem Könige von Neapel. Seitdem wich alle Zucht und Ordnung, und das Elend der Fran- zosen überstieg jedes Maß. Soldaten von allen Regimentern liefen wild durch einander. Die wenigsten Reiter hatten noch Pferde, vielen fehlte es sogar an Schuhen, und sie umwickelten kläglich die Füße mit Kleidern. Dazu wüthete der Hunger so entsetzlich, daß selbst Pferde mit Gier verzehrt wurden. Wie Todesgestalten wanderten die Soldaten über die Schnee- und Eisfelder; ganze Wolken von Kosaken zogen hinter ihnen her. Nirgends Ruhe! nirgends Rast! Kaum hatten sie ein Feuer an- gemacht und sich um dasselbe gelagert; augenblicklich schreckte sie wieder das Hurra der Kosacken auf. Der bloße Ruf: „Kosacken!" setzte ganze Haufen in schnellen Trab; wen die Kraft zum Fliehen ver- ließ, streckte vergebens die Hand nach den athemlos Vorübereilen- den aus. Betäubt vor Kalte wanderten viele wie Wahnsinnige mitten in das Feuer. Die Russen fanden oft des Morgens um 21 *
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