1827 -
Leipzig
: Fleischer
- Autor: Nösselt, Friedrich
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Bürgerschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Bürgerschule, Gymnasium
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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und selbst die Negierung zu übernehmen. Nicht lange blieb sie
unschlüssig. Es blieb ihr nur übrig, zwischen zwei Fällen zu
wählen: entweder ins Kloster zu wandern, oder den Kaiser zu
stürzen; und da sie keine Liebe zu ihm und keine Achtung vor
ihm hatte, selbst nicht ohne Ehrgeiz war, und die Kraft in sich
fühlte, ein großes Reich zu regieren, so gab sie ihre Einwilli-
gung. Ihre Freunde leiteten alles ein. Die mächtigen Garden
wurden heimlich gewonnen, und ihnen vorgespiegelt, Peter
denke darauf, seine Frau und seinen Sohn Paul, den er auch
nicht leiden konnte, ums Leben bringen zu lassen. „Das wer-
den wir nicht zugcbcn," riefen sie; „wir sind bereit für eure
Vertheidigung zu sterben." Eines Morgens, als Peter auf
dem Schlosse Oranicnbaum, 7 Meilen von Petersburg, abwe-
send war, erschien Katharina auf dem Platze vor den Kasernen
der Garde, und als die Soldaten neugierig sich um sie dräng-
ten, rief sie: „ich komme, mich in eure Arme zu werfen; die
Mörder sind schon unterwegs, die mich und meinen Sohn töd-
ten sollen!" — „Nimmermehr!" riefen Alle mit einer
Stimme; „nimmermehr, so lange wir leben!" Alle schwuren
ihr den Eid der Treue. Dann warf sie sich in die Uniform
der Garde, stieg zu Pferde, und führte die Garden zur Stadt
hinaus, auf Oranicnbaum zu. Die Nachricht von dem Auf-
stande erreichte endlich auch Petern, der eben auf dem Wege
von Oranicnbaum nach Peterhof war, welches zwischen jenem
Schlosse und Petersburg liegt. Er stieg in Petershof aus, und
war so bestürzt, daß er nicht wußte, was er machen sollte.
Bald gab er Befehle, die benachbarten Regimenter zufammen-
zuziehen, und die Kaiserin zu ermorden, bald wollte er sie um
Gnade anflehcn, oder die Flucht ergreifen. Zuletzt folgte er
dem Rathe des alten Feldmarschalls Münnich, nach der Festung
Kronstadt zu eilen, wo die Flotte liegt, und die großen Kriegs-
vorräthe sich befinden, und sich an die Spitze der dort stehen-
den Soldaten zu stellen. Er warf sich also in ein kleines
Schiff, und ließ sich hinüberrudern. Kurz zuvor aber war die
Besatzung für die Kaiserin gewonnen worden, und als die
Jacht des Kaisers landete, und er auf den Ruf der Wache:
„Wer da?" — „der Kaiser!" antwortete, rief man ihm zu:
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