1839 -
Leipzig
: Fleischer
- Autor: Nösselt, Friedrich
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Bürgerschule, Gelehrtenschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
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Etwas mehr wissen wir aus der früheren Zeit der alten Ae-
gypten, eines Volks, welches durch seine Eigenthümlichkeit höchst
merkwürdig ist. Das Land ist lang und schmal, und wird in seiner
ganzen Lange vom Nil, einem tiefen und breiten Flusse, durch'flossen.
Sein treffliches, klares Wasser zog schon früh die Menschen an sich,
und schon im frühen Alterthume waren seine Ufer mit unzähligen
Städten und Dörfern bebaut. Noch wohltätiger aber wurde er den
Umwohnern von jeher durch seine jährlichen regelmäßigen Überschwem-
mungen. Im Frühjahre, wenn auf den Bergen in Aethiopien und
Sudan, wo seine Quellen sind, der Schnee schmilzt, und zugleich der
im Sommer hier immer wehende Nordwind den schnellen Abfluß des
Wassers verhindert, so beginnt der Fluß allmälig zu wachsen. So
steigt er vom April an den ganzen Sommer hindurch, anfangs lang-
sam, aber vom Anfänge des Augusts an schneller, bis er vollufrig ist.
Nun ist die ganze Aufmerksamkeit aller Umwohner auf ihn gerichtet.
Der Wasserstand wird genau gemessen, und jeden Morgen und Abend
von einem Ausrufer den Leuten bekannt gemacht, weil von seiner Höhe
die Fruchtbarkeit des folgenden Jahres abhängt. Endlich hat er seine
größte Höhe erreicht; das umliegende flache Land steht unter Wasser;
die auf Hügel gebauten Häuser ragen wie Inseln hervor. Jetzt über-
läßt sich alles der Freude; denn man weiß, daß der Schlamm, den
er zurück läßt, die Felder düngt, und also eine gute Erndte bevorsteht.
Man stellt Freudenfeste an, und wünscht sich gegenseitig Glück. Alle
Schleußen werden geöffnet, damit recht vieles Land von dem erwünsch-
ten Ereigniß Nutzen ziehe. Im Alterthume, wo die Ufer des Nils
noch niedriger waren, als jetzt, war auch die Ueberschwemmung voll-
kommener. Man stellte feierliche Prozessionen an, theils um den seg-
nenden Göttern zu danken, theils um sich mit seinen nahen und ent-
fernten Freunden zu freuen. Alles eilte dann zu Schiffe; der Zug
ging von Dorf zll Dorf, von Stadt zu Stadt, und an jedem Orte
schloß man sich an den allgemeinen Zug an. Die Schiffe waren mit
Laubgewinden geschmückt; die fröhlichen Menschen stimmten nach dem
Schalle der Musikchöre Gxsange zum Lobe der Götter an. Es schien,
als sey ein ganzes Volk auf der Wanderung; die Menge wurde wohl
auf 700,000 Menschen geschätzt.
Aber fast nur auf das Nilthal war die Fruchtbarkeit und Be-
völkerung Aegyptens beschränkt. Entfernte man sich vom Flusse, so
kam man östlich in schroffe Gebirge und westlich in öde Sandwüsten.
Die alten Aegypter waren vermuthlich von Süden her einge-
wandert, wo sich im jetzigen Abyssinien beim Zusammenfluß mehrerer
Nil-Arme, die eine große Insel bilden, in grauen Zeiten ein Staat,
der von Priestern beherrscht wurde, das mächtige Meroe, befand.
Dieses Meros scheint der Mutterstaat von Aegypten gewesen zu seyn.