1839 -
Leipzig
: Fleischer
- Autor: Nösselt, Friedrich
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Bürgerschule, Gelehrtenschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
48
In Athen aber fühlte das Volk bald, daß die sogenannte Frei-
heit die Bewohner eines Staats nicht glücklich mache. Unter den Kö-
nigen war Ordnung und Gerechtigkeit gewesen; jetzt aber erhoben die
Neichen und Vornehmen ihr Haupt mehr als je, und drückten das
Volk, und schrie dieses nach Gerechtigkeit, so zeigte es sich, daß, wo
es an bestimmten Gesetzen fehlt, auch keine Gerechtigkeit stattsinden
könne. Da übernahm (624) der Archont Drakon, dem Volke Ge-
setze zu geben. Aber es wurde dadurch wenig gebessert; denn er war
zu diesem schweren Geschäfte nicht geeignet. Er hatte nämlich auf alle
Vergehungen, gleichviel ob sie schwer oder leicht waren, nur zwei
Strafen: Tod oder Verbannung gesetzt, so daß, wenn man sie hätte
streng beobachten wollen, Athen bald entvölkert gewesen seyn würde.
Man sagte daher von ihnen, sie wären mit Blut geschrieben gewesen.
Es riß also bald wieder die alte Gesetzlosigkeit ein. Man sah drei
Partheien gegen einander kämpfen, und in den Straßen Athens
Blut fließen.
Da ließ die Vorsehung, die über das Glück aller Völker wacht,
einen Mann aufstehen, welcher auf Jahrhunderte lang der Wohlthäter
seines Volks wurde, indem er ihm zweckmäßige Gesetze gab, unter
denen sie sich wohl befanden. Dieser Mann war Solon, aus dem
Geschlechte des Kodros. Er lebte um das Jahr 600, und benutzte
J sein Ansehen als Archon, die neue Verfassung einzuführen. Gleich
durch das erste Gesetz verschaffte er der ärmern Klasse unendliche Er-
leichterung. Die Armen waren nämlich nach und nach in Schulden
gerathen, und die Zahlungsunfähigkeit gab dem Gläubiger das Recht,
dem Schuldner nicht nur alles Eigenthum zu nehmen, sondern ihn
selbst zum Sclaven zu machen. Da schaffte Solon Hülfe. Er setzte
die Zinsen herunter, und gab dem Gelde einen höhern Werth, so daß
nun die Armen mit wenigerem Gelde die Schulden abzahlen konnten.
So sehr sich nun auch Solon dadurch um die ärmere Klasse verdient
machte, so erkannte man die Wohlthat doch nicht ganz an. Man ta-
delte ihn, daß er nicht die Schulden ihnen ganz erlassen, und, wie
Lykurg, die Aecker in gleiche Theile getheilt hätte; und die Reichen
waren vollends nicht zufrieden, weil er ihnen ihr Eigenthum geschmä-
lert habe. Und doch war er ihnen mit gutem Beispiele vorangegan-
gen, indem er seinen Schuldnern an 6000 Thlr. erließ. — Eine an-
dere Einrichtung gefiel dem Volke besser. Er theilte es nach dem Ver-
mögen in vier Klassen, und verordnete, daß nur aus den drei ersten
die Staatsbeamten gewählt werden dürften; mit Recht! denn den Ar-
men fehlte es theils an der nöthigen Zeit, — alle Aemter wurden
nämlich unentgeldlich verwaltet, — theils an der gehörigen Bildung.
Dafür aber wurden der vierten Klasse alle Steuern erlassen. Auch
führte er allgemeine Volksversammlungen ein, die alle Wochen gehalten