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1. Theil 2 - S. 40

1839 - Leipzig : Fleischer
40 So glücklich er auch im Schooße seiner Familie lebte, so traf ihn doch viel häuslicher Kummer. Vier Frauen starben ihm nach einander, und von seinen Söhnen hat ihn nur einer überlebt. Mit seinem liebsten Sohne Karl wurden seine letzten Lebensfreuden zu Grabe getragen, und er, der mächtige Kaiser, der überall geehrt und gefürchtet wurde, erkannte die Hinfälligkeit aller irdischen Größe. Alter und Kränklichkeit drückten ihn danieder; er fühlte, daß sich der Tod mit starken Schritten nähere. Darum ließ er seinen Sohn Ludwig, der fern von ihm in Aquitanien wohnte, nach Aachen kommen. Hier versammelte er die fränkischen Großen, und fragte sie, ob sie ihn zum Herrn haben, und ihm treu gehorchen wollten. Alle riefen: „ja! denn wir erkennen darin den Willen Gottes." Am folgenden Tage ließ sich Karl noch einmal den kaiserlichen Schmuck anlegen. In feierli- chem Zuge schwankte er hinüber nach dem Münster, kniete mit seinem Sohne still betend vor dem Altäre nieder, und ermahnte ihn dann laut vor allem Volke: vor allen Dingen den allmächtigen Gott zu fürchten und zu lieben, seinen Geboten immerdar zu gehorchen, und die Kirche Gottes gegen die Bösen zu schützen, seine Schwestern und Verwandten nie zu verlassen, die Geistlichen zu ehren, seine Untertha- nen wie ein Vater zu lieben, die Armen zu trösten und vor Gott aller Wege unsträflich zu wandeln. Zuletzt fragte er ihn gerührt: „Bist du auch gesonnen, das alles zu thun, mein lieber Sohn?"— „Ja!" rief Ludwig unter Thränen aus, „mit Freuden will ich gehorchen, und mit Gottes Hülfe das Alles vollbringen, was du mir befohlen hast!" — „Gut!" fuhr Karl fort, „so nimm die Krone mit eigenen Händen vom Altäre, und setze sie dir auf das Haupt." Nachdem dies geschehen war, begab sich Karl tief gerührt in den Pallast zurück, und dankte Gott, daß er ihm vergönnt habe, noch seinen Sohn mit der Kaiserkrone geschmückt zu sehen. Ludwig reiste wieder ab, und Karl erholte sich so, daß er noch einige Wochen lang sich mit der Jagd vergnügen konnte. Aber we- nige Monate darauf, im Januar 814, bekam er das Fieber, und wurde zusehens schwächer. Er ließ seinen Vertrauten, den Bischof Hildbald, rufen, und nahm das Abendmahl, um sich auf die große Reise in das unbekannte Land vorzubereiten. Am folgenden Tage merkte er, daß der Tod herantrete. Mit der letzten Kraft hob er seine rechte Hand auf, drückte auf Stirn und Brust das Zeichen des heiligen Kreuzes, streckte die Hände noch einmal aus, faltete sie über die Brust, und sang mit geschlossenen Augen und leiser Stimme: „in ß deine Hände, Vater, befehle ich meinen Geist." So entschlief der wahrhaft große Karl am 28sten Januar 814, im 72sten Jahre seines Alters, nach einer fast 47jährigen glor-
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