1839 -
Leipzig
: Fleischer
- Autor: Nösselt, Friedrich
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Bürgerschule, Gelehrtenschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
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sah, daß er nur für Lothar gearbeitet habe, zu den Waffen, um den
Kaiser mit Gewalt aus Lothars Händen zu befreien. Dieser brachte
den Kaiser und dessen Sohn Karl nach dem Kloster St. Denys bei
Paris, er selbst aber floh nach Vienne in Südfrankreich, als er
erfuhr, daß von allen Seiten Heereshaufen zur Befreiung des Kai-
sers herbeizögen. Dadurch wurde nun der Kaiser wieder sein eigener
Herr; seine Freunde versammelten sich um ihn, und forderten ihn auf,
sich die Krone wieder aufs Haupt zu setzen. Doch dies verwarf er,
bis er sich mit der Kirche ausgesöhnt hatte. Die Bischöfe führten ihn
daher in die Kirche von St. Denys, und zogen ihm die königlichen
Kleider an. So abhängig war der schwache Mann von der Geistlich-
keit! Pipin eilte nun zu ihm, und wurde sehr freundlich empfangen,
erhielt auch Aquitanien zurück. Auch Lothar mußte sich endlich un-
terwerfen, Gehorsam versprechen, und sich mit Italien begnügen, und
nun verzieh der gute alte Kaiser allen Leuten, die etwas gegen ihn
verbrochen hatten. So schön das auch an sich war, so machte er sich
doch dadurch lächerlich, weil er nicht zur rechten Zeit zu strafen ver-
stand. In Aachen, wo er mit Ludwig dem Deutschen, dem er für
seinen Antheil an seiner Befreiung herzlich dankte, zusammentraf, hatte
er auch die Freude, seine Jutta wiederzusinden, und nun schien end-
lich der Friede und das Glück wieder bei ihm eingekehrt zu seyn.
Man hätte glauben sollen, der Kaiser müßte endlich eingesehen
haben, daß durch die Ländervertheilung nichts als Uneinigkeit entstände.
Aber kaum fühlte er sich nur wieder etwas ruhig, so kam er auch
schon — wohl auf Antrieb der schönen Jutta — mit einer neuen
Ländertheilung zum Vorschein, damit sein Liebling Karl recht reichlich
bedacht werden könnte. Er bestimmte diesem den ganzen nördlichen
Theil des fränkischen Reichs bis an die untere Seine, also alles, was
von der unteren Seine östlich lag. Daß die andern Brüder darüber
unzufrieden waren, braucht nicht erst gesagt zu werden; am meisten
wurde dabei Ludwig der Deutsche beeinträchtigt, dem dadurch ein
Theil seiner deutschen Völker entrissen wurde. Es wäre gleich zum
Kriege gekommen, wenn nicht Pipin gerade zu rechter Zeit gestorben
wäre. Nun hätte der Kaiser sein Land Karln geben können, und
der Streit wäre ausgeglichen gewesen. Aber der alte Mann sollte
nun einmal nichts als unkluge Maßregeln ergreifen; kurz er ließ sich
von Jutta bereden, seinen Sohn Ludwig bloß auf Baiern zu be-
schränken, das ganze übrige Land aber unter Lothar und Karl den
Kahlen zu theilen, und zwar so, daß die Grenzlinie über die Seeal-
pen, den Genfer-See, den Jura und längs der Maaß bis zur Nord-
see hinlief. Was von dieser Linie östlich lag, Baiern ausgenommen,
erhielt Lothar, das westliche Land aber Karl der Kahle. Dadurch
wurden die beiden Söhne Pipins von der Nachfolge ausgeschlossen.