1839 -
Leipzig
: Fleischer
- Autor: Nösselt, Friedrich
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Bürgerschule, Gelehrtenschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
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warfen die Neapolitaner zurück, und — Ferdinand und Caroline hiel-
ten sich nun nicht einmal mehr in Neapel sicher; sie schifften sich eiligst
nach Sicilien ein. Der Statthalter (Prinz Moliterno), den sie zurück-
gelassen hatten, sah sich genöthigt, die Sieger um einen Waffenstill-
stand zu bitten. Dieser wurde zwar auch gegen eine schwere Kriegs-
contribution bewilligt; aber nun erregten die Lazzaroni einen wilden
Aufruhr, verjagten den Statthalter, plünderten und raubten, und die
rechtlichen Einwohner mußten daher froh seyn, als nur die Franzosen,
stürmend und mit den Lazzaroni fechtend, (22 u. 23. Jan. 99), in die
Stadt einzogen, und dem Tumult nach vielem Blutvergießen ein Ende
machten. Das Königthum wurde nun auch hier abgeschafft, und eine
parth enopeische Republik eingeführt. *)
Weit ungerechter behandelte das Directorium den König von
Sardinien (Carl Emanuel). Ob sich dieser gleich in alle Launen der
Franzosen gefügt hatte, so gaben sie ihm doch Schuld, daß er insge-
heim mit Neapel einverstanden gewesen sey. Er mußte sein ganzes
Gebiet auf dem festen Lande an Frankreich überlassen, und nach Sar-
dinien auswandern, eine empörende Gewaltthat! Auch dem Großher-
zoge von Toscana (Ferdinand) wurde der Krieg erklärt, und das
Land weggenommen. Ganz Italien war nun in den Händen der
Franzosen.
Indessen hatten Oestreich und Rußland ihre Rüstungen vollen-
det. In Rußland war Katharina 2. 1796 gestorben, und ihr Sohn,
Paul (1796 — 1801), war ihr gefolgt. Ein sonderbarer Mann! Als
ein wüthcnder Feind der französischen Revolution, war ihm zugleich
jede Freiheit verhaßt. Er meinte, nur dann könnte die Welt bestehen,
wenn die Unterthanen in tiefster Unterwürfigkeit sclavisch die Befehle
ihres Herrschers vollzögen. Dabei war er voll Launen, widerrief heute
das, was er gestern gewollt, und hatte oft die wunderlichsten Einfälle.
Von seiner Würde als Kaiser hatte er die übertriebensten Begriffe.
Alle z. B., welche ihm begegneten, mußten niederfallen, selbst die,
welche in einem Wagen oder zu Pferde saßen. Wer vor seinem Pal-
laste vorbeiging, mußte den Hut abziehen, und selbst dem kaiserlichen
Wappen mußten Ehrenbezeugungen erwiesen werden. Da er wußte,
daß die republicanischen Franzosen alles Steife aus der Kleidung ver-
bannt hatten, so glaubte er, schon in einer einfachen Kleidung stecke
der Jakobinismus, und verbot streng, daß in Rußland Keiner einen
runden Hut, kurz abgeschnittene Haare, Schuhbänder oder einen fran-
zösischen Frack trüge. Auch wurden die meisten ausländischen Bücher
verboten, und Alle streng bestraft, die nach seiner Meinung zu frei
•) Der älteste Name Neapels war nämlich Parthenope gewesen.
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