1846 -
Breslau
: Graß, Barth
- Autor: Löschke, Karl Julius
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
258
Jesuiten.
Zu diesem Zwecke wurde auch die Zahl der Mitglieder erweitert. Schon
bei dem Tode Loyola's betrug sie gegen 1000, und stieg noch vor dem
Ablaufe des Jahrhunderts aus 10,000. Der Orden verbreitete sich
von Italien und Spanien aus in alle Länder. Das Oberhaupt, der
Ordens-General, hatte seinen Sitz in Rom; unter ihm standen in
vielfachen genau berechneten Gliederungen und Abstufungen die übrigen
Ordensbrüder. Alle waren zum strengsten Gehorsam gegen ihre Obern
verpflichtet, denen sie mit gänzlicher Verzichtleistung aus den eigenen
Willen folgen mußten. In den Jesuiten hatte die katholische Kirche
eine Kriegsschaar, stets wohlgerüstet, zum Kampfe bereit und im Kam-
pfe geübt, dem Befehle des Generals blindlings gehorchend, ausgebrei-
tet über die ganze Erde, unablässig auf die Niederlage und den Unter-
gang der Gegner bedacht. Und wie vielgestaltig war ihre Wirksamkeit,
wie mannichfaltig waren die Mittel, welche sie zur Erreichung ihrer
Zwecke aufboten! Jedem einzelnen Jesuiten war nach vorangegange-
ner sorgfältiger Prüfung und Beobachtung der Wirkungskreis angewie-
sen, für welchen er sich seinem ganzen Wesen nach am besten eignete.
Einige verbrachten, wie andere Mönche, ihre Tage in klösterlichen Bü-
ßungen und Andachtsübungen; andere mischten sich unter die Weltkin-
der, um auf diese zu wirken, und suchten besonders bei den Mächtigen
und an den Höfen der Fürsten Einfluß zu gewinnen, was ihnen bei
ihrem feinen weltmännischen Tone trefflich gelang; noch andere wirkten
als Prediger auf den Kanzeln, weniger durch Heftigkeit und durch
Strafpredigten, als durch scheinbares Eingehen in die.vorstellungen
und Wünsche ihrer Zuhörer und durch einschmeichelndes, gewinnendes
Wesen; oder sie forschten als Beichtväter die Herzen ihrer Beichtkinder
aus und berichteten, was sie erfahren hatten, wenn es den Zwecken
des Ordens förderlich schien, an ihre Obern; wieder andere waren Ge-
lehrte, die durch ihre Schriften die Denkweise der Menschen zu beherr-
schen verstanden; sie waren Lehrer und Erzieher der Jugend, welche
durch ihr Lehrtalent die Schüler an sich zogen und die jugendlichen
Herzen zu gewinnen verstanden. Kurz, es war ein Eifer in dem Orden
der Jesuiten, der, wenn er auf das wahrhaft Gute gerichtet war, nicht
ohne Segen bleiben konnte, der aber auch, wenn er unlauteren Zwecken
diente, sehr verderblich werden mußte.
Als der neue Orden ins Leben trat, ward er von vielen Prote-
stanten und Katholiken in Deutschland gänzlich verkannt. Jene sahen,
wie fleißig die Jesuiten sich mit den Wissenschaften beschäftigten, wie
eifrig sie der Erziehung der Jugend oblagen, wie sie derselben Unter-
richtsweise, ja anfangs auch derselben Schulbücher sich bedienten, die
man in den besten Schulen der Protestanten fand. Bei diesen Zeichen