1855 -
Dresden
: Meinhold
- Autor: Gräße, Johann Georg Theodor
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Sachsen
- Inhalt: Zeit: Mittelalter, Neuzeit
Kinder stürbe, Thüringen an Böhmen, Hessen und Mainz zu ver-
äußern, und nur ein Zug seiner tapfern Neffen nach Thüringen
(1412) und die zu ihren Gunsten lautgewordene Volksstimme vermochte
den Landgrafen von jenem unglücklichen Vorsatze abzubringen. Bald
entwickelten sich aber neue Streitigkeiten zwischen Onkel und Neffen,
welche letztere vorzüglich durch den von dem Grafen von Schwarzburg
angezettelten Fleglerkrieg erbittert worden waren, und wurden erst
nach mehreren Jahren dadurch geschlichtet (1420), daß sich Friedrich
vertragsmäßig verpflichtete, seine osterländischen Neffen durch keine Ver-
äußerung oder Verschenkung seiner Besitzungen irgendwie zu verkürzen.
Friedrich starb am 4. Mai 1440 und nun fielen auch seine Länder
wieder an den Hauptstamm zurück, d. h. an die osterländische Linie.
Wenn wir von den Schicksalen dieser letzten Linie sprechen, so
haben wir es vorzugsweise nur mit den zwei Hauptstammhaltern zu
thun (Georg starb, wie bemerkt, frühzeitig), nämlich mit dem nach-
herigen Churfürsten Friedrich dem Streitbaren und seinem
Bruder Wilhelm Ii. oder dem Reichen.
Ersterer zeigte schon als neunzehnjähriger Jüngling in dem deutschen
Städtekriege (1388) jenen starken Arm, den späterhin mancher seiner
Gegner fühlen mußte. Nicht lange nachher vermählte er sich mit der
Tochter Herzogs Heinrich des Milden von Braunschweig, Katharina
(1402); seine ihm als Kind schon verlobte Braut, des deutschen Kaisers
Karl Iv. Tochter Anna, hatte ihm ihr wilder, unbändiger Bruder
König Wenzel von Böhmen vorenthalten und sie an den König von
England versteirathet. Von diesem Wortbruche schreiben sich aber
dann die Händel der Wettinischen Fürsten mit Böhmen her, die zur
Absetzung des unsittlichen Wenzels und zur Erhebung Ruprechts von
der Pfalz zum König führen sollten. Eine in ihren Folgen für die
wissenschaftliche Bildung der Wettinischen Unterthanen höchst wichtige
Begebenheit fällt in dieselbe Zeit.
Kaiser Karl Iv. hatte 1348 in Prag eine Hochschule nach dem
Muster der berühmten Universität zu Paris gegründet und von dieser
die Eintheilung ihrer Mitglieder in Nationen angenommen. Er hatte
demnach vier Nationen oder Landsmannschaften eingerichtet, die säch-
sische, bäurische und polnische (d. h. schlesische), also deutsche Elemente,
und die böhmische. Jede dieser Nationen hatte bei Wahlen oder an-
dern Verwaltungsangelegenheiten eine Stimme, wenn nun also die
drei deutschen Landsmannschaften zusammenhielten, so konnte die böh-
mische, obgleich sie die nationale und der Zahl nach stärker war als