1855 -
Dresden
: Meinhold
- Autor: Gräße, Johann Georg Theodor
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Sachsen
- Inhalt: Zeit: Mittelalter, Neuzeit
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jede einzelne von jenen, nichts ausrichtcn. War dieß an und für sich
unbillig, insofern offenbar manche Beschlüsse, an denen rein nur die
Hochschule und die böhmische Parthei ein Interesse haben konnten,
lediglich durch bösen Willen der drei andern Partheien zum Nachtheil
der erstem gefaßt wurden, so steigerte sich die Erbitterung der slavischen
oder Nationalpartbei vorzüglich noch dadurch, daß jene es durch ihr
Uebergewicht beim Abstimmen zu verhindern wußten, daß der Abgott
der böhmischen Jugend, der muthige Reformator Johann Huß, zu
einer geistlichen Pfründe gelangen konnte. Natürlich hetzte derselbe
seine Landsleute, über die er bereits eine mächtige Gewalt durch die
Kraft und die Freisinnigkeit seiner Rede besaß, zum Widerstande an,
wußte ihr Nationalgefühl gegen die ihnen längst verhaßten Deutschen
zu entflammen, und als die letztem ihre Rechte nicht aufgeben wollten,
machte Wenzel spottweise seinen Küchenmeister zum Rector (18. Januar
1409), und dieser entschied nun sofort zu Gunsten seiner Landsleute.
Half nun auch die Protestation des letzten deutschen Rectors der Uni-
versität, Henning Boldcnhagen, und die Niederlegung seines Amtes
(9. Mai 1409) gegen die Uebermacht nichts, so hatte dieselbe doch
auf der andern Seite die wichtige Folge, daß jener nebst vielen andern
Lehrern und fast 20oo deutschen Studenten Prag verließ und nach
Leipzig wanderte, wo die Zöglinge der Musen mit offenen Armen aus-
genommen wurden. Dadurch kamen die sächsischen Fürsten wahr-
scheinlich auf den Gedanken, in ihren Ländern ein ähnliches Institut
zu gründen, wie schon seit längerer Zeit in dem obengenannten Prag,
seit kürzerer aber (1392) in dem nahegelegenen Erfurt bestand. Sie
wandten sich also an Papst Alexander V., um von demselben die zu ,
diesem Zwecke nothwendige päpstliche Bestätigung zu erbitten, und er-
hielten dieselbe auch sehr bald durch eine von Pisa aus datirte Bulle
<vom 9. Septbr. 1409). Sie zögerten keinen Augenblick, dieselbe in
Ausführung zu bringen, und hatten die Genugthuung bereits am
2. (4.) December desselben Jahres im Refectorium der regulären
Chorherrn von St. Thomas in Gegenwart vieler Fürsten und Herrn,
Prälaten und der nachher hier angestellten Lehrer die neue Universität
einzuweihen, und als ersten Rector derselben Otto von Münsterberg
vorzustellen. Welchen Einfluß diese Stiftung nicht blos für das
schnelle Emporblühcn und den Reichthum der Stadt, sondern für die
Bildung des ganzen Landes hatte, brauchen wir an diesem Orte nicht
groß auseinanderzusetzen, es genüge zu erwähnen, daß dieser Musensitz
nn Berühmtheit auch im Auslände bald alle ähnlichen Anstalten